Wie Du mit der Stakeholder-Matrix Dein Projektmanagement verbesserst

Ein gestandener Qualitätsmanager – nennen wir ihn Herrn Müller – steckt mitten in einem wichtigen Projekt. Es geht um die Einführung eines Software-gestützten Labordatensystems. Herr Müller hat bereits in seiner vorigen Firma mit dieser Software gearbeitet und kennt daher alle Features und Kniffe.

Für seinen jetzigen Arbeitgeber ist Herr Müller erst seit knapp drei Monaten tätig. Vom Gelingen dieses Projektes hängt für ihn einiges ab, hat man ihm doch bei gutem Erfolg die Stellvertretung des Abteilungsleiters für Qualität in Aussicht gestellt.

Entsprechend gibt sich Herr Müller alle Mühe, den an ihn und das neue Labordatensystem gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Trotzdem hat er das Gefühl, irgendwie auf der Stelle zu treten. Benötigte Informationen werden ihm nicht vollständig oder verspätet geliefert. Bereits besprochene Dinge, die nun kurz vor der Umsetzung stehen, werden mit der Begründung neuer Anforderungen oder Erkenntnisse wieder revidiert, sodass weitere Gesprächsrunden anstehen.

Niemand boykottiert die Arbeit von Herrn Müller bewusst – schließlich würde niemand gerne das Projekt selbst übernehmen. Dennoch hat Herr Müller das Gefühl, als würden alle Beteiligten an unterschiedlichen Strängen ziehen.

Hast Du bereits eine ähnliche Situation erlebt? Es kann natürlich viele Ursachen für das Verhalten einzelner Projektmitglieder oder Stakeholder geben. Ein möglicher und aus meiner Sicht sehr häufiger Grund für das Scheitern oder die signifikante Verzögerung von Projekten ist, dass manche Projektmanager nicht die richtige Ansprache an die Projektbeteiligten finden.

Hier kann die sogenannte Stakeholder-Matrix helfen. Wie Du diese Erstellt und was Du dann damit tun kann, beschreibe ich im vorliegenden Artikel. Ein praktisches Anwendungsbeispiel für eine solche Matrix ist die Erarbeitung des „Kontexts der Organisation“ im Qualitätsmanagement und Managementsystemen allgemein. 

Was sind Stakeholder?

Übersetzt Du das Wort „Stakeholder“ ins Deutsche, erhältst Du mehrere mögliche Alternativen. Im rechtlichen Kontext beispielsweise den Begriff „Interessenvertreter“. Auch „Anspruchsberechtigter“ oder „Interesseneigner“ sind mögliche Vorschläge.

Im Qualitäts- und Projektmanagement werden Stakeholder oft als Projektmitglieder oder an einem Projekt interessierte Parteien bezeichnet. Aber per Definition sind sie viel mehr: Stakeholder sind alle Personen, die einerseits von einer Sache (zum Beispiel einem Projekt) betroffen sind, aber auch all diejenigen, die dieses Projekt selbst beeinflussen.

Nehmen wir zur Verdeutlichung des Unterschieds als Beispiel das Projekt von Herrn Müller: Er soll ein Labordatensystem einführen. Personen, die nach der Einführung von den Auswirkungen des Projektes betroffen sind, aber häufig während der Projektphase keinen Einfluss nehmen (können), könnten Endanwender, wie LaborantInnen sein.

Wird das Labordatensystem mit externer IT-unterstützung eingeführt, so wären die IT-Mitarbeiter kaum bis gar nicht von der Einführung im eigentlichen Sinne betroffen, haben aber sehr großen Einfluss auf das Projekt.

Die zwei Dimensionen der Stakeholder-Matrix

Das obige Beispiel deutet es an: Die Stakeholder-Matrix hat zwei Dimensionen:

  • Die eine Dimension betrifft das Interesse von Personen an einer Sache.
  • Die zweite Dimension betrifft den Einfluss von Personen auf eine Sache.

In vielen Fällen sind beide Dimensionen in mehr oder minder hoher Ausprägung vorhanden. Und in jeder möglichen Kombination kann das Verhalten von Herrn Müller gegenüber denjenigen Personen mitentscheidend für das Gelingen seines Projektes sein.

Die Hauptaufgabe eines Projektmanagers ist das Steuern: Steuern von Ressourcen, Projektmitgliedern, Zeit, Arbeitspaketen, etc.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Kommunikation ein entscheidender Faktor im Projektmanagement ist. Und genau die Art und Weise der Kommunikation mit unterschiedlichen Stakeholdern kannst Du mittels Stakeholder-Matrix analysieren und nützliche Verhaltensweisen daraus ableiten.

Die Grundstruktur der Stakeholder-Matrix

Die Grundstruktur der Stakeholder-Matrix sieht folgendermaßen aus:

In den unterschiedlichsten Ausprägungen gibt es Personen, die an einer Sache gewisses Interesse haben und/oder in irgendeiner Weise Einfluss oder Macht ausüben können.

Diese neutrale Darstellung reichern wir nun mit Farben an, welche die jeweilige Bedeutung für eine Sache oder ein Vorhaben darstellen sollen:

Es wäre nun fatal zu sagen, „kümmern wir uns um die Personen mit hohem Interesse UND hohem Einfluss, der Rests soll sehen, wo er bleibt“. Alle Personen, die ein hohes Interesse haben und in ihren Anforderungen unberücksichtigt und uninformiert bleiben, könnten sich als Projekt-Gegner und spätere Systemkritiker entwickeln.

Bei Personen, die hohen Einfluss aber nur mäßiges Interesse haben, versäumst Du gegebenenfalls die Möglichkeit, in Ihrem Sinne auf das Projekt Einfluss zu nehmen.

Deshalb eine etwas genauere Differenzierung bzw. Beschreibung der einzelnen Stakeholder-Gruppen und deren Bedeutung:

Wenn Du Dir nun überlegst, in welcher Art und Weise die einzelnen Gruppen angesprochen werden sollen, zeigt die vierte Grafik ein noch genaueres Bild:

Konkrete Handlungsempfehlungen für die vier Stakeholder-Gruppen

Nach diesen eher theoretischen Grundlagen geht es nun natürlich um die Frage, was Sie konkret tun sollten, um jeder Stakeholder-Gruppe die ausreichende Bedeutung beizumessen.

  1. Stakeholder mit geringem Interesse und niedrigem Einfluss (wenig Macht)

    Zu dieser Gruppe gehören Personen, die gar nichts oder nur sehr wenig Interesse am Projekt des Herrn Müller haben und die gleichzeitig auch keinen größeren Einfluss ausüben können. Je nach Unternehmen könnten dies zum Beispiel Personalreferenten sein oder Mitarbeiter des Vertriebs. Vermutlich werden beide Abteilungen wenig Interesse an und Einfluss auf das Projekt haben.

    Bei dieser Gruppe ist es nicht sehr wichtig, sie um ihre Meinung zu bitten, oder sie in Entscheidungen einzubinden. Dies zu tun, könnte sogar für das Projekt hinderlich sein, folgt man Glaubenssätzen wie „Viele Köche verderben den Brei“.

    Daher ist es in dieser Gruppe ausreichend, sie in eine Art Basis-Kommunikation zu integrieren. Beispielsweise in Form eines Newsletters, eines kurzen Beitrags im Intranet oder E-Mails, wenn entscheidende Meilensteine erreicht worden sind.

    Du solltest dabei in Deiner Kommunikation stets das Ziel verfolgen, Personen mit geringem Einfluss und geringem Interesse zu Personen der zweiten Kategorie (mit hohem Interesse) zu machen. Du weißt nicht, wie sich Macht und Einfluss im späteren Verlauf verändern können. Wenn beispielsweise Personen intern befördert werden.

  2. Stakeholder mit wenig Macht/Einfluss aber hohem Interesse

    Bei dieser Stakeholder-Gruppe sollte sich Herr Müller das Interesse an seinem Projekt dahin gehend zunutze machen, dass er die Personen in Themen mit niedrigem Risiko einbindet. Beispiele für diese Personengruppe könnten zum Beispiel Auszubildende im Labor sein. Sie sind die späteren Haupt-Nutzer und ihr Interesse kann Herr Müller dafür nutzen, möglichst viele Informationen über deren Anforderungen zu gewinnen, die in das Projekt einfließen können.

    Diese Gruppe enthält in den meisten Projekten die „meinungsbildende Schicht“. Ist diese Gruppe Deinem Projekt und den Resultaten positiv gegenüber eingestellt, dann kann das dazu führen, dass Dein Projekt deutlich ruhiger verläuft und Du weniger Störfeuer von Personen befürchten musst, die in irgendeiner Weise unzufrieden sind.

    Informiere Personen mit hohem Interesse detaillierter als die erste Gruppe und frage nach deren Meinung zu Problemstellungen und Fragen, die für diese Gruppe von Interesse sein könnten.

  3. Stakeholder mit hohem Einfluss aber geringem Interesse

    Diese Gruppe hat grundsätzlich erst einmal kein Interesse daran, gegen oder für das Projekt zu kämpfen. Da dieser Personenkreis aber über einen hohen Einfluss und viel Macht verfügt, sollte Herr Müller diesen auf keinen Fall gegen sich aufbringen und im besten Fall sogar versuchen, einen Nutzen aus deren Machtposition zu ziehen.

    Mögliche Beispiele für Personen dieser Kategorie: Der Geschäftsführer, dem grundsätzlich egal ist, mit welchem Labordatensystem das Unternehmen arbeitet. Hauptsache, die Kundenreklamationen gehen zurück. Oder die Leiterin der internen IT-Abteilung, die zwar das Labordatensystem technisch betreuen muss, aber kein sachliches Interesse hat.

    Diese Stakeholder könnten Anforderungen haben, die im weitesten Sinne vom Projekt bedient werden können. Falls dem so ist, sollte Herr Müller diese Bedürfnisse unbedingt befriedigen und bei entsprechenden Überschneidungen entsprechend informieren beziehungsweise aktiv den Rat dieser Menschen einholen.

    Versuche möglichst, diese einflussreichen Stakeholder in die vierte Gruppe (den einflussreichen und interessierten Stakeholdern) zu bringen. Dies gelingt durch entsprechende Einbindung und gezielte Information.

  4. Stakeholder mit hohem Einfluss und großem Interesse

    Dieser Stakeholder-Gruppe sollte Herr Müller die größte Bedeutung beimessen, denn dies sind die Schüssel-Personen, die über Erfolg oder Misserfolg des Projektes maßgeblich entscheiden. In diese Personengruppe gehört zum Beispiel der QM-Leiter oder Herr Müller als Projektleiter selbst. Auch die Person, die für das alte Labordatensystem verantwortlich ist, gehört in diese Gruppe – Herr Müller ist auf seine gute Zuarbeit angewiesen.

    Diese Schlüsselspieler sollte Herr Müller bei allen wichtigen Entscheidungen einbinden – möglichst einzeln und im Vorfeld der eigentlichen Entscheidung. Durch regelmäßige und zielgerichtete Information erfährt Herr Müller nicht nur viel über die Interessenlage der Personen, sondern ermöglicht es ihnen auch, positiv auf das Projekt einzuwirken und ihren hohen Einfluss und ihr Interesse im Sinne des Projektes geltend zu machen.

    In Lenkungskreisen oder Entscheidungs-Meetings treffen fast immer mehrere Personen dieser Gruppe aufeinander. Und wenn Herr Müller diese nicht im Vorfeld einbindet und auf seine Seite bringt, kann sich in einem solchen Termin eine Eigendynamik entwickeln, die für das Projekt alles andere als förderlich wäre.

    Daher muss Herr Müller durch ständigen Austausch mit dieser Gruppe dafür sorgen, dass diese auf seiner Seite stehen, wenn Entscheidungen getroffen werden sollen. Ist vorher bereits abzusehen, dass dies zweifelhaft ist, kann Herr Müller bei einem Termin vor versammelter Mannschaft nur verlieren.

    Der Projektleiter muss dabei immer berücksichtigen, dass jeder seiner Schritte potenziell von jeder dieser Personen beobachtet wird und sollten von deren Seite Zweifel an der Leitung des Projektleiters oder am Projekt selbst aufkommen, hat jede Person in Kategorie 4 das Potential, das Projekt sofort zu stoppen.

Weitere Erkenntnisse, die man mit einer Stakeholder-Matrix gewinnen kann

Würde die Welt nur aus diesen vier Kategorien bestehen, wäre die Projektwelt relativ einfach und für die vier beschriebenen Kategorien müsste man nicht unbedingt eine Matrix erstellen.

Überall, wo Menschen miteinander arbeiten gibt es zwischen ihnen auch Querverbindungen und die kannst Du mit einer solchen Stakeholder-Matrix sehr gut visualisieren. Oft zeigen sich so Verflechtungen, mit denen man im Vorfeld nicht gerechnet hätte und es könnten sich Gründe zeigen, warum ein Projekt möglicherweise nur schleppend vorankommt oder einzelne Projektmitglieder anders handeln, als es für das Projekt von Vorteil ist.

Zur Verdeutlichung habe ich vier Personen, über die in diesem Artikel bereits die Rede war, in die Matrix ein:

Die Eingruppierung kann natürlich in jedem Unternehmen anders aussehen. Gehen wir aber von der oben beschriebenen Interessenlage aus.

Verschiedenen Einflussfaktoren könnten nun dazu führen, dass sich die Gemengelage so verändert, dass ein guter Projektleiter darauf entsprechend reagieren müsste, indem er mit einzelnen Personen möglicherweise anders umgeht, als er dies nach obiger Schilderung eigentlich tun würde.
Zwei Beispiele sollen überzeichnet beschreiben, was ich meine:

Beispiel 1: Gehen wir davon aus, der IT-Leiter führt eine Beziehung mit der Laborantin. Um die Sache noch ein wenig zu dramatisieren, nehmen wir weiter an, die Laborantin hält nicht viel vom Q-Leiter und findet, dieser hat von Qualitätssicherung keine Ahnung.
Visualisieren wir die neue Situation nun in der Matrix, ergibt sich folgendes Bild:

Es wird erkennbar, dass die Laborantin unter bestimmten Voraussetzungen eine deutlich andere Wertigkeit bekommen könnte, als sie sie in der ursprünglichen Matrix hatte. Und bitte glauben Sie nicht, dass eine solche Situation weit hergeholt sei. Ähnliche Konstellationen gibt es in ständig und in allen Unternehmen.

Beispiel 2: Wir ersetzen den IT-Leiter durch den Einkaufsleiter und nehmen an, dieser geht mit dem Q-Leiter einmal die Woche Golf spielen. Außerdem ist bekannt, dass der Einkaufsleiter die Arbeit von Herrn Müller nicht eben schätzt – vor allem deshalb, weil Herr Müller in seiner Einführungswoche durchblicken ließ, dass der Einkauf aus seiner Sicht zu selten auf die Qualität der eingekauften Rohwaren achtet.

In dieser Konstellation könnte das Golfspiel den Q-Leiter dazu veranlassen, die Arbeit von Herrn Müller in einem anderen (nicht eben positiven) Licht zu sehen. Herr Müller wäre hier nun angeraten, sich um seine berufliche Beziehung zum Einkaufsleiter zu bemühen.

Gleichzeitig müsste Herr Müller eventuell anders mit seinem Vorgesetzten und Auftraggeber seines Projektes kommunizieren, da er nun weiß, dass er intern umstritten ist.

Stakeholder-Matrix im Kopf?

Es gibt Menschen, die haben solche sozialen Beziehungen stets im Hinterkopf und haben dies so stark verinnerlicht, dass sie dafür keine aufgezeichnete Matrix benötigen. Das erfordert Übung und auch ein gewisses Interesse an solchen Geflechten.

Ich hoffe, ich konnte transparent machen, dass es sich lohnt, über diese sozialen Netzwerke in Unternehmen nachzudenken. Insbesondere bei Projekten mit unterschiedlichen Interessenlagen und komplexen Anforderungen kann es lohnend sein, sich gelegentlich mit einer solchen Matrix zu befassen.

Man kann aus ihr viele wichtige Erkenntnisse herausziehen. Vor allem machtbewusste und sehr empathische Personen nutzen diese Methode (ob bewusst und visuell oder unterbewusst).

Fazit

Manchmal sind soziale Geflechte wahre Stolpersteine in Projekten. Doch nicht nur zu deren Visualisierung ist eine Stakeholder-Matrix hilfreich. Du erkennst mit ihnen auch, in welcher Art und Weise man mit den einzelnen Interessengruppen am besten umgeht um für das Projekt das beste Ergebnis herauszuholen beziehungsweise nur für die wichtigen Personengruppen Zeit investiert.

Ich kann diese Art der Visualisierung vor allem denjenigen sehr empfehlen, die neu in ein Unternehmen kommen oder mit bisher wenig bekannten Schnittstellen interagieren wollen oder müssen.

Man erkennt sehr gut, dass Personen nicht nur für sich allein genommen agieren und reagieren, sondern auch Beziehungen untereinander pflegen, die eine gewisse Auswirkung auf unsere Ziele und Interesse haben können.

Weiterführende Informationen kannst Du auf der Seite http://www.stakeholdermap.com/ finden. Dort gibt es auch entsprechende Software-Tools und alle möglichen nützlichen Tipps zum Stakeholder-Management. Diese Seite ist bei Weitem nicht die einzige Quelle zu diesem Thema aber die umfassendste und vertrauenswürdigste die ich bei meiner Recherche zu diesem Artikel gefunden habe.

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