Fehler sind Menschlich – auch im QM

Menschen, die über ein bestimmtes Thema Schreiben und mit diesem Thema vielleicht sogar Geld verdienen, vermitteln schnell den Eindruck, alles besser zu wissen (oder besser wissen zu wollen). Dabei ziehen sie ihr Wissen sehr häufig aus in der Vergangenheit gemachten Fehlern. So ist es zumindest bei mir.

In diesem Beitrag beschreibe ich Ihnen, welches die aus meiner Sicht 5 größten Fehler im QM sind, die ich begangen habe. Natürlich sind das nicht die einzigen Dinge, die ich falsch gemacht habe. Aber die folgenden fünf Fehler stelle ich deshalb heraus, weil ich persönlich aus diesen den größten Lerneffekt für meine weitere berufliche Laufbahn gezogen habe.

Natürlich benenne ich diese Fehler nicht nur, sondern erkläre auch, wie und was konkret ich daraus gelernt habe.

  • Ich war nicht empathisch

Unter Empathie versteht man allgemein die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Also zu erkennen und verstehen, wie eine andere Person sich in einer bestimmten Situation wahrscheinlich fühlt. Diese Fähigkeit kann man dann dafür nutzen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Handlungen oder Reaktionen dieser Person im Vorfeld zu durchdenken und mit den gewünschten Zielen abzugleichen.

Es gibt nur wenige Menschen, die von Kindesbeinen an mit dieser Fähigkeit ausgestattet sind. Die meisten von uns müssen sie erst erlernen und entsprechende Erfahrung im Umgang mit Menschen sammeln.

Im Qualitätsmanagement sind wir sehr häufig in der Situation, Menschen führen zu müssen, ohne ihnen direkt vorgesetzt zu sein. Denken wir an Abteilungsleiter oder Mitarbeiter aus anderen Fachbereichen unseres Unternehmens. Beispielsweise wünschen wir uns von ihnen, dass bestimmte Maßnahmen umgesetzt werden.

Wenn wir nicht empathisch sind, dann benehmen wir uns schnell wie ein Holzfäller: Wir gehen davon aus, einen Anspruch darauf zu haben, dass unsere Vorgaben umgesetzt werden und verhalten uns entsprechend: Beim geringsten Zeichen von Widerstand hacken wir auf den/die Quertreiber ein. Natürlich übertreibe ich, aber Sie wissen, was ich meine.

Genauso habe ich es zu Beginn gemacht. Mit dem Wissen, dass die Geschäftsführung hinter unserem internen Auditwesen steht, habe ich mich im und nach dem Audit so gebärdet, als hätten alle anderen Personen im Unternehmen gar keine andere Wahl als das umzusetzen, was ICH vorgab.

War ich damit erfolgreich? Bedingt.
Hat das dazu geführt, dass ich respektiert wurde? Ganz sicher nicht.

Mit Empathie – das hat mir mein damaliger Vorgesetzter schnell beigebracht – sind wir in der Lage, die Motive und Ziele unseres Gegenübers zu verstehen und bei gleichem gewünschten Ergebnis allein durch unsere Kommunikation ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erzeugen.

Ein Beispiel: Ein Produktionsleiter soll eine Maßnahme aus einem internen Audit umsetzen: Durch die Einführung einer 100%-igen Kamera-Kontrolle sollen fehlerhafte Teile identifiziert und somit die Reklamationsquote reduziert werden. Klingt an sich sinnvoll, oder?

Wenn Sie das in der Auditbesprechung oder im Auditbericht so nüchtern beschreiben, dann wird der Produktionsleiter möglicherweise innerlich anfangen zu stöhnen: Die Kamera-Kontrolle wird dazu führen, dass seine Produktionsanlagen langsamer laufen müssen, um das korrekte Scannen der hergestellten Produkte zu ermöglichen.

Nehmen wir weiter an, der Produktionsleiter wird in seinen Jahreszielen nur über die Anzahl der hergestellten Erzeugnisse gemessen, dann sorgt unsere Maßnahme automatisch dafür, dass wir seine Zielerreichung schmälern. Begeisterung wir das bei ihm wahrscheinlich nicht auslösen – selbst wenn er ein qualitätsgeprägter Produktioner ist.

Mit unserem Werkzeug der Empathie haben wir nun beispielsweise folgende Möglichkeiten: Wir können ihm von vorn herein signalisieren, dass wir seine Nöte und Bedenken bereits erkannt haben, bevor er sie selbst äußert. Außerdem können wir uns Gedanken darüber machen, ob es Lösungen gibt, welche die Produktionsgeschwindigkeit nur minimal reduziert.

Oder wir könnten die zeitliche Umsetzung der Maßnahme bis zum Anfang des kommenden Jahres verzögern, damit die Produktionskennzahlen für das neue Jahr schon unter Berücksichtigung des Kamera-Systems festgelegt werden können.

Empathie ist erlernbar. Wenn Sie noch keine Idee haben, wie Sie Empathie entwickeln können, dann starten Sie damit, die Kollegen, mit denen Sie am häufigsten interagieren in allen möglichen Situationen zu beobachten. Ziel dabei ist, zu verstehen, was diesen Menschen wichtig ist, welche Ziele sie mit ihrem Handeln verfolgen. Sie können auch entsprechende Fragen stellen, die Ihnen Informationen geben.

Das hilft Ihnen nicht nur beim Aufbau einer persönlichen Beziehung durch Ihr aktives Interesse. Entscheidend ist, dass Ihnen diese Informationen bei der Erreichung Ihrer Ziele helfen sollen. Wenn Sie Ihrem Gegenüber irgendetwas geben können, das für Ihn hilfreich oder erleichternd ist, dann wird er eher bereit sein, das zu tun, was Sie von ihm möchten.

Aus meiner Sicht hat man hier nie wirklich ausgelernt. Ständig gibt es einmalige Situationen, in denen man sich bisher noch nie befunden hat und bei denen ein Hineinversetzen in bestimmte Personen eine echte Herausforderung ist. Die lohnt sich aber!

  • Ich war inkonsequent

Mein zweitgrößter Fehler im QM, den ich hier beschreibe ist inkonsequentes Handeln. Dieser hängt in gewisser Weise mit dem ersten Fehler zusammen, denn dieser Fehler hat in letzter Konsequenz dazu geführt, dass sich andere Menschen aus meiner Sicht suboptimal verhalten haben.

Unter Konsequenz verstehe ich vereinfacht gesagt: Wir tun was wir sagen (oder schreiben).

Ich bin der Meinung, dass man nicht in einer Sache konsequent sein kann und in einer anderen nicht. Das wirkt nicht authentisch und verunsichert Menschen, die mit uns umgehen, eher. Deshalb ist Konsequenz auch und gerade in den kleinen Dingen des Alltags wichtig: Eine zugesagte Information kommt zur genannten Zeit beim Empfänger an, vereinbarte Aufgaben werden fristgerecht erledigt, etc.

Wollen wir anderen Menschen in negativem Sinne gegenüber konsequent sein (z.B. durch irgendeine Art der Bestrafung), dann müssen wir als Vorbild dienen.

Auch hier wieder ein Beispiel zum Thema Maßnahmenumsetzung: Wenn wir von anderen Menschen erwarten, Maßnahmen vollständig und fristgerecht umzusetzen, wenn es um Qualitätsthemen geht, dann müssen wir zwingend vorbildhaft handeln, wenn wir im Gegenzug Maßnahmen umsetzen sollen, die andere Unternehmensbereiche betreffen (und natürlich auch Maßnahmen unseren eigenen Bereich betreffend).

Gerade zu Beginn hat hier mein Fehler darin bestanden, dass ich mir gesagt habe:

Ich darf, die anderen müssen.

Erst später habe ich verstanden, dass ich mir damit langfristig keine Freunde schaffe und auch der Sache damit nicht dienlich bin. Diese Einstellung (sowie auch meine mangelnde Empathie aus dem ersten Fehler), spielten in der Anfangszeit keine große Rolle. In dieser Zeit habe ich ein Managementsystem nach DIN EN ISO 22.000 aufgebaut und das Einführungsprojekt hatte im ganzen Unternehmen eine echte hohe Priorität. Nach erfolgter Einführung wurde aber zu Recht von mir erwartet, ein Team-Player zu sein.

Konsequenz im eigenen Handeln bedeutet heute für mich: Ich bin Vorbild und tue, was ich sage. Im zweiten Schritt kann ich dann auch konsequentes Handeln von anderen Menschen erwarten und es auch einfordern. Dafür ist wichtig, zu gegebener Zeit auf die Folgen von Nichterfüllung hinzuweisen. Das muss nicht immer heißen, dass wir diese Konsequenzen herbeiführen, sondern das können auch Kunden, Auditoren oder die Geschäftsführung tun.

  • Ich strebte nach Perfektion

Vielleicht denken Sie jetzt: Was soll an Perfektion schlimm sein? Ich meine in diesem Fall Perfektion an der falschen Stelle: Die 100%ig perfekte Formatierung einer Excel-Tabelle oder deren perfekte Automatisierung per Formel deren Aufbau mehrere Stunden in Anspruch nimmt.

Es gibt durchaus Situationen, in denen Perfektion notwendig ist. Zum Beispiel, wenn es um die Gesundheit von Menschen geht. Oftmals ist Perfektion allerdings nicht auf allen Ebenen erforderlich um das nah Außen hin gleiche Resultat zu erzielen.

Nehmen wir als anschauliches Beispiel das Autowaschen: Sie können einmal durch die Waschanlage und danach einmal Durchsaugen. Das dauert dann nicht länger als 30 Minuten. Und Sie können zusätzlich mit einem Lappen die Türeinstiege reinigen, die Dichtgummis abwischen und jeden Spalt den Sie finden, penibel sauber machen.

Wenn sich dann jemand Ihre Auto ansieht und einsteigt, werden beide Varianten für ihn keinen Unterschied machen – außer Sie weisen ihn bewusst darauf hin. Augenscheinlich können Sie also mit weniger Aufwand das gleiche Resultat erlangen.

Ich bemühe hier gerne das berühmte Pareto-Prinzip, auch das 80-20 Prinzip genannt. Es besagt, dass mi 20 % des Aufwandes oftmals 80% des Resultates erreicht werden und dass wir für die restlichen 20 % Ergebnis gigantische 80 % an Aufwand investieren müssen.

Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung dieses Prinzips ist das Wissen, auf welche 20 % im Ergebnis wir verzichten können. Zurück zum Autowaschen: Würden wir die 80 % Zeit dafür verwenden, die Dichtgummis, Türschwellen und den Motorraum zu säubern, dann hilft uns das nicht viel in der äußeren Wahrnehmung der Sauberkeit unseres Autos. Trotzdem ist es sauberer als zuvor.

Übertriebene Perfektion führt langfristig dazu, dass wir nicht mehr an den wichtigen Dingen arbeiten. Außerdem kann sie dazu führen, dass wir mit bestimmten Dingen niemals fertig werden, denn die absolute Perfektion ist niemals wirklich erreicht.

So hätte ich in meiner Anfangszeit während der Einführung des Managementsystems für Lebensmittelsicherheit (DIN EN ISO 22.000) in kürzerer Zeit wesentlich mehr erreichen können, wenn ich nicht auf die perfekte Formatierung meiner Excel-Tabellen so großen Wert gelegt hätte. Dinge, die den meisten Menschen, für die diese Tabellen gedacht waren, nicht zu schätzen wussten. Würde unter einer solchen Denkweise auch noch der fachliche Wert einer Arbeit leiden, ist die Katastrophe perfekt.

Nehmen Sie sich also gerade in großen und regelmäßig wiederkehrenden Dingen die Zeit, sich zu fragen, welcher Grad an Perfektion für die Erfüllung der Aufgabe notwendig ist. Was konkret benötigt die Person, die unser Resultat erhält? Worauf kann man verzichten?

  • Ich konnte nicht delegieren

Nach der Einführung unseres Managementsystems für Lebensmittelsicherheit durfte ich im Jahr 2012 die Teamleitung der QS für einen unserer damals zwei Standorte übernehmen und war fortan für einen Mitarbeiter verantwortlich. Anfangs machte ich dabei die klassischen Fehler (und davon viele): Ich ging davon aus, dass etwas nur dann richtig erledigt ist, wenn ich es selbst tue. Ich habe meinen Mitarbeiter nicht dazu angeleitet, die richtigen Dinge und die Dinge richtig zu tun. Ich bin davon ausgegangen, dass ich selbst die beste Fachkraft in unserem Team sein muss.

Das Resultat dieser drei Kardinalfehler war, dass unsere Abteilung nur so gut sein konnte, wie ich selbst es war. Natürlich hatte auch mein Mitarbeiter Kompetenzen und Fähigkeiten. Sobald es allerdings darum ging, etwas Neues zu tun, ging nichts ohne mich.

Mit den folgenden Resultaten: Ich habe meinen Mitarbeiter daran gehindert, sich fachlich weiterzuentwickeln. Ich habe mich selbst in Sachen Führung nicht weiterentwickelt und unsere Abteilung hat nicht das erreicht, was sie hätte erreichen können.

Aus diesem Grund kann ich nur jedem empfehlen, der fachliche und/oder disziplinarische Mitarbeiterführung erhält, sich in Sachen Delegieren zu einem echten Experten zu entwickeln. Ergründen Sie vor allen Dingen, woran es liegt, dass Sie ungern delegieren: Ist es ihr eigener fachlicher Anspruch? Oder eher fehlendes Vertrauen in Ihre Mitarbeiter? Bei mir war es Ersteres, sowie der Wunsch, nach Außen hin als derjenige wahrgenommen zu werden, der den Erfolg erzielt hat.

Meine Erfahrungen in diesem Bereich habe ich in einem früher erschienen Blogartikel „So delegieren Sie QM-Aufgaben richtig“ verarbeitet.

  • Ich dachte nur in Schwarz und Weiß

Der fünfte Fehler im QM, den ich hier beschreibe, betrifft mein Schwarz-Weiß-Denken: Ich erachtete eine Sache entweder konform mit meiner fachlichen Ansicht – oder eben nicht. Dazwischen gab es für mich zu Beginn meiner Laufbahn nichts. Dass dieses Denken fachliche Widersprüche provozieren kann, war mir nicht bewusst.

So hatte in meinen Augen jede Audit-Abweichung praktisch die gleiche Priorität: Egal ob ein nicht gelenktes Formblatt oder ein Femdkörperrisiko. Klar, mir war bewusst, dass es tatsächlich wohl einen Unterschied zwischen beiden Abweichungen gibt – aber nicht, wenn es um die Umsetzung der Maßnahmen ging.

Dass man manchmal nicht ganz optimale Sachverhalte zugunsten des übergeordneten Unternehmenserfolges akzeptieren muss, lernte ich erst später. Bis dahin wurde ich immer weniger als Unterstützung und wertvolle Hilfe im Unternehmen wahrgenommen, da mir Umsicht und Fingerspitzengefühl gefehlt haben.

Würde die Welt nur aus Schwarz und Weiß bestehen, dann bräuchte man kein Qualitätsmanagement. Wir sind gerade für die Einschätzung Graubereiche da, denn genöau für die wird unsere Fachexpertise benötigt. Wir sind außerdem aufgrund unserer vielen Schnittstellen im Innen und im Außen prädestiniert dafür, über den Tellerrand zu schauen und „das große Ganze“ zu erkennen, um im Sinne des obersten Unternehmenserfolges zu denken und zu handeln.

Als ich das begriffen und umgesetzt hatte, konnten Kollegen damit beginnen, mich als Unterstützung und wertvolles Mitglied des Unternehmens anzuerkennen.

Es gibt einen relativ sicheren Weg, sich ein gutes gefühlt dafür anzueignen, wo wir keine Graustufen zulassen dürfen und wo wir Abstand von Schwarz/Weiß nehmen sollten:

Ausgehend von der Vision des Unternehmens und der Unternehmens- bzw. Qualitätsstrategie sollten wir jeden Sachverhalt dahingehend priorisieren, wie relevant er für obersten Unternehmensleitlinien ist.

Ein Beispiel: Strebt unser Unternehmen die Kostenführerschaft an, dann werden Qualitätsfehler zugunsten höherer Produktivität wesentlich eher tolerierbar sein, als wenn unser Unternehmen im Hochpreissegment beheimatet und die Qualitätsführerschaft im Markt innehat.

Es zählt also nicht nur die Wahrnehmung des Qualitätsmanagements, sondern auch unsere Positionierung im Unternehmen.

Fazit zu meinen Fehlern im QM

Aus der Vielzahl an Dingen, die ich in meiner Laufbahn im Qualitätswesen bereits begangen habe, habe ich die oben beschriebenen fünf Fehler deshalb herausgegriffen, weil aus ihnen einige andere Fehler resultierten. Während ich diesen Artikel geschrieben habe, ist mir erst so richtig bewusst geworden, dass es sich bei den wirklich bedeutenden Fehlern meist um Schwächen in der inneren Haltung handelt und nur selten um fehlerhafte fachliche Einschätzungen. Das liegt teilweise auch daran, dass man aus diesen schneller lernt, denn die Konsequenzen werden meist unmittelbar bekannt.

Mein Glück war, dass mein damaliger Vorgesetzter mir aktiv dabei geholfen hat, diese TOP 5 überhaupt als Fehler zu erkennen und aus ihnen zu lernen. Ohne ihn würde ich einige davon bestimmt heute noch mehr oder weniger häufig begehen und wäre mit Sicherheit nicht dort, wo ich heute bin.

Hier halte ich es mit einem Zitat von Kurt Tucholski, das sinngemäß lautet:

„Erfahrung allein bedeutet nichts. Man kann seinen Job auch 20 Jahre lang schlecht machen“

Weitere Infos zum Thema „Fehler im QM“

Zeitgleich zu dieser Podcast-Folge ist auch ein Blogartikel erschienen, den Du hier lesen kannst. Darüber hinaus gibt es noch zwei Podcast-Episoden, die ich Dir in diesem Zusammenhang ans Herz legen möchte:

In diesem Artikel bzw. dieser Episode erfährst Du, welches die wahrscheinlich größte Herausforderung im QM ist. Du bekommst außerdem Tipps, wie Du mit dieser Hürde umgehen kannst, um ein besseres berufliches Leben als Qualitätsmanager:in zu bekommen.