Brainwriting: Eine interessante Alternative zum Brainstorming mit vielen Vorteilen

Brainstorming ist eine feine Sache, wenn man in einer Gruppe (oder auch allein) nach neuen Ideen oder Lösungen für ein Problem sucht. Klassisches Brainstorming kann aber auch einige Nachteile haben, auf die ich weiter unten ausführlich eingehe.

Kürzlich hörte ich eine Folge des Podcasts „Führung auf den Punkt gebracht“. Dr. Bernd Geropp interviewt in der Folge 161 vom 08.02.2017 den „Problemlösungs-Experten“ Georg Jocham. In diesem Gespräch erzählt Herr Jocham von einer interessanten Alternative zum Brainstorming, die ohne all die oben erwähnten Nachteile auskommt und darüber hinaus sogar noch weitere Vorteile bringt.

In diesem Artikel möchte ich diese Methode und ihre Vorteile näher beschreiben.

Was ist klassisches Brainstorming?

Salopp formuliert könnte man sagen, Brainstorming ist das unstrukturierte Sammeln von Ideen. Man lüftet quasi das Gehirn einmal komplett durch und sammelt alles, was einem zum genannten Thema einfällt.

Dabei erzielen Brainstormings oft nicht den gewünschten Effekt, da die Frage bzw. die Problemstellung gar nicht oder nur unzureichend formuliert wird oder man während Sammlung und Diskussion immer weiter von den Ursprungsgedanken abdriftet ohne wertschöpfend tätig zu sein.

Der Grundgedanke von Brainstorming ist, dass man möglichst viele (neue) Ideen erhalten möchte und sich zunächst nicht mit einer Wertung dieser Gedanken beschäftigen sollte.

Nach erfolgtem Brainstorming mit vielen Ideen oder Gedanken ist dann eine Methode zu wählen, nach der die gesammelten Elemente strukturiert werden. Hier kann auch eine erste Wertung oder Kategorisierung erfolgen. Möglicherweise werden hier schon ein paar Gedanken als nicht machbar aussortiert.

Mögliche Schwächen von Brainstorming

Keine Frage, Brainstorming ist eine feine Sache. Dennoch hat mir die Idee des Brainwriting gefallen. Unter anderem wegen der folgenden Nachteile, die Brainstorming bei näherem Betrachten durchaus haben kann:

  • Wie oben bereits erwähnt, werden die Probleme bzw. die Fragen oft unzureichend formuliert und verlieren sich in der darauf folgenden Diskussion schnell in Nebensächlichkeiten oder gar Themaverfehlungen
  • Nachdem die ersten Ideen geäußert wurden, wird weiter häufig nur noch über diese Ideen diskutiert, sie werden gewertet oder es kommen nur noch ähnlich lautende Ideen dazu
  • Wirft jemand eine Idee in den Raum, dann wird oft nicht weiter nach neuen Ideen gesucht sondern zunächst eine Wertung des geäußerten Vorschlags vorgenommen oder die Mach- und Umsetzbarkeit diskutiert
  • Introvertierte Mitglieder am Brainstorming äußern sich erst spät oder möglicherweise gar nicht, obwohl sie gute Ideen hätten
  • Der „Chef-Faktor“: Äußert er vorab keine Meinung, sind möglicherweise alle Teilnehmer vorsichtig, da sie nicht wissen, welche Richtung der Chef bevorzugt. Äußert er hingegen eine mögliche Präferenz, werden vermutlich keine oder nur sehr wenige Ideen in eine andere Richtung geäußert

Diese beschriebenen Fehler sind möglich und werden wahrscheinlicher, je weniger gut eingespielt ein Team oder eine Gruppe ist. Je bunter und inhomogener eine Gruppe ist, desto größer ist zwar einerseits die Chance, dass ein Brainstorming wirklich wertvolle Impulse liefert. Gleichzeitig steigt aber oft auch das Bedürfnis Einzelner, sich zu profilieren und den eigentlichen Brainstorming-Gedanken zu verdrängen.

Wie Sie beim Brainwriting vorgehen

Wie bei den meisten Methoden legt gute Vorbereitung den Grundstock für die erwünschten Erkenntnisse. Beim Brainwriting fällt diese Vorbereitung denkbar gering aus.

Wie benötigen nur Dreierlei: Für jeden Teilnehmer, den Sie zu Ihrer Session einladen, benötigen Sie einen Stift zum Schreiben und ein vorbereitetes Blatt Papier im DIN A4-Format. Auf diesen Blättern bereiten Sie eine kleine Tabelle mit 3×3 Kästchen vor:

Brainwriting 1

Bitte teilen Sie das gesamte Blatt in die neun Kästchen auf, sodass ausreichen Platz zum Schreiben vorhanden ist. Gedanken werden nicht immer einzeilig zu formulieren sein.

Als drittes befindet sich im Raum ein Flipchart oder eine Whiteboard-Tafel, auf der Sie die Problemstellung klar formuliert notieren, sodass während des Brainwritings alle Teilnehmer einen ungehinderten Blick darauf haben.

Nach dieser minimalistischen Vorbereitung geht es nun in die Umsetzung.

Schritt 1: Die Ideensammlung

Jeder Teilnehmer erhält nun eine leere Tabelle mit 9 Kästchen und einen Stift. In die drei Kästchen der linken Spalte schreibt nun jeder Brainwriting-Teilnehmer je einen Gedanken zur Problemstellung auf. Diese Gedanken sollten so formuliert werden, dass diese möglichst ohne Rückfragen verständlich sind. Außerdem sollten die Teilnehmer leserlich schreiben. Ideal wäre es, wenn nicht sofort anhand der Handschrift sichtbar wäre, wer welche Gedanken geäußert hat. Aber gerade bei Teams, die sehr lange schon zusammenarbeiten, wird sich dies nicht immer vermeiden lassen.

Als Initiator des Brainwritings vereinbaren Sie eine Zeit, die jeder Teilnehmer zur Bearbeitung hat. Nehmen wir an, Ihr Brainwriting bestand aus fünf Teilnehmern (Sie eingeschlossen). Am Ende wurden maximal 15 Ideen notiert, wobei es durchaus auch zu Dopplungen gekommen sein kann. Die Blätter sammeln Sie nun ein.

Brainwriting 2

Schritt 2: Start von Diskussion und Wertung der ersten Ideen

Die fünf Blätter mit den Notizen in der ersten Spalte verteilen Sie nun gemischt wieder an die Teilnehmer, wobei Sie darauf achten, dass niemand seine eigenen Ideen wiederbekommt. Dann haben alle die Aufgabe, in der zweiten Spalte jeder der drei Ideen einen weiteren Gedanken anzufügen. Das kann eine Verfeinerung oder Weiterentwicklung sein, eine Wertung oder was der Person eben zu der geäußerten Idee einfällt.

Brainwriting 3

Das ist dann gewissermaßen der Start der Diskussion, in der jeder Teilnehmer die gleiche Möglichkeit zur Beteiligung hat. Niemand unterbricht andere, alle können in Ruhe nachdenken. Dabei konnten sie die drei Ideen, die sie vorher aufgeschrieben hatten, gut loslassen, indem sie das Blatt weitergegeben haben.

Die Blätter mit der ausgefüllten mittleren Spalte werden nun wieder eingesammelt und gemischt.

Schritt 3: Weiterspinnen der Ideen

Dieser dritte Schritt ist gewissermaßen die Wiederholung des zweiten Schrittes. Die gemischten Blätter werden erneut an die Teilnehmer ausgegeben. Am besten so, dass alle einen komplett unbekannten Zettel bekommen.

Zu jeder Idee und jedem zur Idee geäußerten Gedankengang fügt nun jeder einen weiteren Gedankengang im rechten Kästchen dazu.

Brainwriting 4

Schritt 4: Die Auswertung des Brainwritings und das weitere Vorgehen

Je nachdem, wie viele Teilnehmer mitgemacht haben und wie umfangreich die geäußerten Gedanken sind, können Sie die Auswertung entweder sofort vornehmen oder Sie beenden das Brainwriting an dieser Stelle und laden nach der Auswertung zu einem neuen Termin ein.

Wichtig ist allerdings, dass alle Teilnehmer ein Feedback darüber erhalten, was aus ihren Ideen geworden ist. Fehlt diese Rückmeldung, wird die Bereitschaft, für weitere Brainwritings zur Verfügung zu stehen, wohl ziemlich schnell gen null sinken.

(In unserem Beispiel) 15 Ideen und eine beginnende Diskussion dazu zu haben, ist eine Sache. Damit die Sammlung auch etwas bewirkt, ist die Realisierung von gefundenen Ideen wichtig. Für den neuen Termin könnten Sie die gefundenen Ideen kategorisieren, bereits erste Tendenzen hinsichtlich Machbarkeit äußern oder sie haben erkannt, dass Sie für die Diskussion der Problemstellung möglicherweise die falschen Personen eingeladen haben.

Schritt 5: Präsentation der Resultate

Wie in Schritt 4 bereits angedeutet, werden die meisten Teilnehmer ein berechtigtes Interesse daran haben, zu erfahren, was aus ihren Ideen geworden ist. Was konnte (und warum) umgesetzt werden und welche Auswirkungen hatte dies auf das Ursprungsproblem?

Bereiten Sie sich als Initiator vor allem darauf vor, auch zu erklären, warum Ideen NICHT umgesetzt worden sind. Es steht Ihnen dabei natürlich frei, welchen Weg Sie wählen. Eine offizielle Besprechung mit den Brainwriting-Teilnehmern oder vielleicht nur eine Information per Mail. Beachten Sie aber bei Ihren Ausführungen die üblichen Feedback-Regeln. Wenn eine Idee nicht weiterverfolgt wird, dann sollten Sie sich überlegen, ob Sie „Ross und Reiter“ nennen.

Eine Person, die von einer Idee überzeugt ist, die dann aber nicht zur Realisierung kommt, wird enttäuscht genug sein. Wenn aber alle wissen, dass sie die vermeintlich unwichtige Idee hatte, könnte sie sich sogar persönlich angegriffen und verletzt fühlen.

Es spricht andererseits aber nichts dagegen, die Personen, die realisierte Idee beigesteuert haben, öffentlich zu erwähnen. Sie zeigen dadurch, dass investiertes Gehirnschmalz tatsächlich auch etwas bewirken kann.

Was ist beim Brainwriting besonders vorteilhaft?

Brainwriting kombiniert verschiedene Vorteile, die das klassische Brainstorming liefert, mit weiteren Vorteilen. Die Hauptargumente, die Brainwriting aus meiner Sicht so interessant (und teilweise überlegen) machen sind:

  • Die Grundstruktur der 3×3 Kästchen sorgt für automatische Disziplinierung der Teilnehmer
  • Jeder Eingeladenen können sich gleichermaßen in das Brainwriting einbringen, jeder Gedanke hat die gleiche Wertigkeit
  • Niemand wird unterbrochen, die Gedankengänge richten sich ausschließlich auf das Problem und die geäußerten Ideen dazu
  • Der Chef ist ein gleichwertiger Teilnehmer des Brainwritings und seine Ideen oder sein Schweigen beeinflussen im weiteren Verlauf nicht
  • Die Ideensammlung liegt bereits in schriftlicher Form vor und muss nur noch kategorisiert und weiterverarbeitet werden

Fazit

Zwar habe ich selbst das Brainwriting mangels Gelegenheit noch nicht selbst ausprobiert, aber ich halte es für eine sehr gute Weiterentwicklung des Brainstormings. Es erfordert weniger Disziplin als das Brainstorming, denn durch das Korsett der 3×3 Kästchen ist bereits die Grundstruktur zur Diskussion vorgegeben und die Gedankengeflechte werden sich mit höherer Wahrscheinlichkeit dem Grundproblem widmen, was Diskussionsverluste und verschwendete Zeit minimiert.

Wenn ich einen Nachteil finden soll, so fällt mir hier vielleicht ein, dass Brainwriting einer gewissen Übung bedarf. Sich auf diese stumme Art der Diskussion einzulassen und sich konstruktiv mit den vorgenannten Ideen zu befassen und diese zu ergänzen oder weiterzuentwickeln, wird sich zunächst neu anfühlen.

Die Methode ist gewiss keine Raketenwissenschaft, wie man heute so schön sagt. Aber oft steckt in den kleinen Dingen das größte Potential. Probieren Sie es doch einmal aus!

Nicht jeder kann interne Audits als wertvoll ansehen. Aber Du kannst einiges dafür tun, dass sich diese Sichtweise ändert. 

In diesem Artikel teile ich 7 Tipps mit Dir, wie Du die Akzeptanz Eurer internen Audits erhöhen kannst. Es geht außerdem um die vier Phasen von Audits und welchen Zeitbedarf Du in welcher Phase kalkulieren solltest.