Wareneingangsprüfungen als notwendiges und sinnvolles Instrument einsetzen!

Warum die Wareneingangsprüfung sinnvoll und notwendig ist

Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe stellen eine wichtige Basis für qualitativ hochwertige Produkte dar. Auch mit den besten Prozessen zur Weiterverarbeitung wird es nicht gelingen, aus minderwertigen Rohstoffen außerordentlich gute Produkte herzustellen. Daher ist es wichtig, diese Basis einer ausreichenden Begutachtung zu unterziehen, bevor sie in der Produktion zum Einsatz kommt.

Doch auch aus rechtlichen Gründen ist die Wareneingangsprüfung bestimmter Parameter beim Eingang von gelieferten Waren notwendig.

Die Grundlagen dessen, was notwendig und wichtig ist, möchte ich mit Dir in diesem Artikel teilen. In einem früheren Artikel habe ich erläutert, wie Du Deine Lieferanten bewerten und deren Leistung messen kannst. 

Nur wer prüft, hat Anspruch

Das Handelsgesetzbuch (HGB) regelt in § 377 was Käufer bei Anlieferung von Waren tun müssen, um im Falle mangelbehafteter Waren einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadenersatz geltend machen zu können.

Der Käufer muss die Ware unverzüglich einer Untersuchung unterziehen (Abs. 1), um offensichtliche und leicht erkennbare Mängel festzustellen. Liegt solch ein Mangel vor, muss der Verkäufer unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) informiert werden. Allgemein wird unter „unverzüglich“ in diesem Zusammenhang von einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen gesprochen.

Nach dieser Zeit gilt offensichtlich Mangel behaftete Ware als genehmigt und der Käufer verliert sein Recht auf Gewährleistung oder Schadenersatz (Abs. 2). Wird der Mangel hingegen tatsächlich erst im weiteren Verlauf offenkundig, gilt wiederum die Pflicht zur sofortigen Anzeige (Abs. 3).

Hat hingegen der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich in der Folge nicht auf die obigen Absätze berufen (Abs. 5) und ist in jedem Fall verpflichtet, Gewährleistung und/oder Schadenersatz zu leisten.

Die Pflicht einen Mangel unverzüglich anzuzeigen, wird als Rügepflicht bezeichnet. Diese kann in Form eine Vereinbarung zwischen den Parteien modifiziert werden. Es kann beispielsweise besprochen werden, welche Parameter direkt bei Eingang geprüft werden müssen und welche Mängel zu einem späteren Zeitpunkt vom Verkäufer noch akzeptiert werden.

Man kann sich hier auch auf eine bestimmte Form der Rüge einigen – der Absatz 4 des HGB §377 lässt nämlich die Form offen – es genügt das rechtzeitige Absenden der Anzeige.

Wie Du Wareneingangsprüfungen selbst durchführen kannst

Die meisten Unternehmen beschäftigt die Frage, ob sie Wareneingangsprüfungen durchführen sollen und wenn ja, in welchem Umfang. Es gibt Unternehmen, die bewusst auf die eingehende Prüfung der angelieferten Waren verzichten – mit allen Konsequenzen im Mangel-Fall.

Der generelle Grundsatz sollte lauten: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Wareneingangsschema

Folgende Prüfungen solltest Du aus meiner Sicht in jedem Fall bei Eingang von Waren durchführen:

Grundparameter für Wareneingang

Generell gilt für komplexere Eingangsprüfungen eine Faustregel von 5 % der angelieferten Ware. Dieser Wert ist natürlich abhängig von mehreren Faktoren wie Sensibilität der Rohware oder Art der Prüfungen. Die quantitative Prüfung kann zum Beispiel in unterschiedlicher Ausprägung erfolgen, die jeweils großen Einfluss auf den Aufwand und die Zeit hat:

Nehmen wir an, Dein Unternehmen erhält eine Lieferung Ananas in Dosen, die in einer Zuckerlösung eingelegt sind. Die einfachste Möglichkeit ist, zu prüfen, wie viele Paletten angeliefert wurden und ob das mit den Lieferpapieren und der Bestellung zusammenpasst.

Eine etwas aufwendigere Methode ist das Zählen der Dosen und der Abgleich mit den Lieferpapieren. Wenn sofort sichtbar ist, wie viele Dosen auf einer Palette zu stehen haben, ist das auch noch überschaubar.

Noch aufwendiger wird es jedoch dann, wenn Du bestimmen möchtest, ob die Einwaage an Ananas auch dem entspricht, was Du später in der Fabrikation einsetzen möchtest. Es braucht hier eine bestimmte Methode, möglicherweise zusätzliches Personal und Du wirst diese Prüfung in hygienischer Umgebung durchführen müssen.

Da es sich hier um eine zerstörende Prüfung handelt, musst Du diese entweder direkt vor oder während der Produktion durchführen oder die geprüfte Ware muss entsorgt werden. Hier wird schnell sichtbar, dass Du Dir genau überlegen musst, ob der Aufwand die Mühe wert ist.

Diesen Umstand bezeichnen Juristen so: „Der Mangel wird nur durch Inbetriebnahme der Sache offenkundig“. Ein weiteres Beispiel dafür ist der Einbau einer technischen Komponente in eine Maschine. Ob ein Fehler vorliegt, wird fast immer erst dann erkennbar sein, wenn die Maschine in Betrieb gehen soll.

Grundsätzlich müssen Eingangsprüfungen geplant werden. Das empfiehlt nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern ist auch eine Anforderung vieler Normen und Standards. Die Basis für den Prüfplan stellt dabei meist die Spezifikation für den gelieferten Artikel dar.

Basisdokumente für die Lieferbeziehung

Ich empfehle Dir unbedingt, alle Parameter, die bei Wareneingang geprüft werden, vorher in der entsprechenden Spezifikation zu verankern. Damit vereinbarst Du mit den Lieferanten und über die Daten aus Vertrag und Bestellung hinaus, welche Parameter aus Deiner Sicht die Ware qualitativ charakterisieren und wann es sich überhaupt um einen Mangel handelt.

Wie Du reagieren solltest, wenn es zu einem Mangel kommt, habe ich in einem gesonderten Artikel beschrieben. 

Die Wareneingangsprüfung auf die Lieferanten übertragen

Weiter oben hatten wir schon bemerkt, dass komplexere Eingangsprüfungen einen erheblichen Aufwand verursachen können. Anstatt nun komplett auf diese Prüfungen zu verzichten und damit ein hohes Risiko in Kauf zu nehmen, ist es auch möglich, die Prüf-Verantwortung auf den Lieferanten zu übertragen. Das setzt eine gewisse Vertrauensbasis der beiden Partner voraus, bietet aber einige Vorteile.

Zunächst spart der Käufer Zeit und Kosten. Zusätzlich dazu hat der Lieferant aber auch wichtiges Know-how und Prüfverfahren und Prüfmittel, die bei der Durchführung solcher Prüfungen enorm hilfreich sein können.

So wird aus einer Wareneingangsprüfung streng genommen eine Warenausgangsprüfung, die der Lieferant dann per Prüfzertifikat (oder Certificate of Analysis „CoA“ genannt) entweder mit der Ware oder im Vorfeld der Anlieferung dem Käufer zur Verfügung stellt.

Wenn Du Dich dazu entschließen solltest, einen Teil des Prüfauftrags an einen Lieferanten zu übertragen, muss das schriftlich vereinbart werden. Möglichkeiten hierfür sind der Liefervertrag, eine Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV), die AGBs des Lieferanten, die Spezifikation oder Auftragsbestätigungen.

Folgende Details sollte diese schriftliche Vereinbarung beinhalten:

  • Methode der Prüfung
  • Mess- bzw. Prüfmittel inklusive Kalibrierung
  • Häufigkeit der Prüfung
  • Wer prüft (intern oder externe Stelle)?
  • Freigabeprozess durch den Lieferanten
  • Dokumentation und Bereitstellung

Als Käufer solltest Du Dir eine Systematik überlegen, mit der Du die eingehenden Dokumente ablegst. Außerdem musst Du diese sofort prüfen. Enthält die Dokumentation Fehler oder fehlt komplett, dann solltest Du die Ware nicht annehmen oder zumindest unter Vorbehalt und vorsorglich sperren.

Diese Art der Warenprüfungen spart Dir zwar Zeit und Aufwand, aber es entstehen auch Schnittstellen, die immer wiederkehrend Probleme bereiten können. Dokumente kommen zu spät oder gar nicht, sie werden der falschen Person geschickt oder diese ist gerade im Urlaub und niemand sonst hat Zugriff auf die Daten.

Mache Dir deshalb bitte unbedingt klar, wie genau der Prozess zu funktionieren hat und informiere den Lieferanten entsprechend. Ansonsten wird aus der delegierten Prüfung durch den Lieferanten schnell ein dauerhaftes Ärgernis.

Wann solltest Du trotzdem prüfen (lassen)?

Auch wenn Lieferanten einen Großteil der Prüfungen für Dich übernehmen, empfehle ich Dir, in gut gewählten Stichproben die Leistung dieser Prüfungen zu testen. Wenn Du über entsprechendes Equipment und Know-how verfügen, mache es selbst. Falls nicht, beauftrage ein sachverständiges und akkreditiertes Labor.

Du kannst diese Ergebnisse mit den erhaltenen Dokumenten oder Zertifikaten vergleichen. Unterschiede in den Werten bedeuten noch nicht zwangsweise, dass die Untersuchung des Lieferanten falsch oder sogar manipuliert ist. Je nach Beschaffenheit der Ware kann es sich um natürliche Schwankungen innerhalb des jeweiligen Gebindes handelt. Auch hat jede Untersuchungsmethode eine gewisse Fehlertoleranz. Das solltest Du berücksichtigen, wenn Du einen Lieferanten mit einem eigenen oder externen Ergebnis konfrontierst.

Zwar sollten wir unseren Partnern grundsätzlich Vertrauen entgegenbringen, es ist aber ratsam, gelegentlich einen Beweis dafür zu haben, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist.

Fazit

Grundsätzlich solltest Du Dir darüber im Klaren sein, dass auch eine 100%-Prüfung keine absolute Sicherheit gewährleistet. Die meisten Prüfungen werden von Menschen durchgeführt und können fehlerhaft sein. Sie reduzieren daher lediglich das Risiko.

Umso wichtiger ist es, ein für Ihr Unternehmen erträgliches Maß dieses Risikos zu kennen und festzulegen. Anhand Deiner eigenen Eingangsprüfungen erhältst Du ein detailliertes Bild Deiner Lieferanten, sowie ihrer Leistung und kannst diese Daten dafür nutzen, eine vertrauensvolle Beziehung zu diesen Partnern aufzubauen.

Das erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Qualitätsmanagement und Einkauf. Eine klare Trennung der Zuständigkeiten zum Beispiel im Prozess der Mängelrüge ist nur ein Beispiel für eine solche Schnittstelle.