Kundenreklamationen im B2B-Bereich als Chance sehen

Kundenreklamationen im B2B – Risiko und Chance zugleich?

Ein früherer Artikel befasste sich mit dem Thema „Professioneller Umgang mit fehlerhaften Rohwaren und Dienstleistungen“. Nun weiß ich, dass im Grunde jedes Unternehmen in einer Sandwich-Position ist: Es arbeitet mit Lieferanten und Kunden bzw. Endkonsumenten zusammen.

In diesem Artikel möchte ich Ihnen nun beschreiben, warum und wie ich Kundenreklamationen als Chance sehe, mich in positiver Art und Weise von Marktbegleitern zu differenzieren aus jedem Mangel ein Stück weit gestärkt hervorzugehen – immer im Sinne einer partnerschaftlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Erkenne den Fehler an

Fehler anerkennen

Ein Sprichwort sagt „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung“. Wenn Du einen Fehler für Dich und den Kunden nicht anerkennst, wirst Du auch nicht die innere Einstellung haben, aktiv eine Veränderung herbeizuführen.

Wenn Fehler durch Fehler in Euren Prozessen oder durch Eure Mitarbeiter verursacht worden sind, solltest Du dies auch dem Kunden gegenüber zugeben. Ich betrachte Reklamationen gerne als eine Art kritisches Feedback. Die meisten Menschen haben bei einem solchen Feedback zunächst das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen oder mögliche Kritik abzustreiten.

Man könnte natürlich abstreiten, dass ein Mangel durch das eigene Unternehmen verursacht wurde, ändert dann flugs den Prozess und stellt den Mangel dadurch ab. Aber die Kunden merken sehr wohl, dass der Lieferant etwas verändert hat. Glaubst Du, so etwas kommt gut an? Mit  solchen Aktionen kannst Du dauerhaft Vertrauen einbüßen.

Willst Du als jemand wahrgenommen werden, der etwas zu verbergen hat? Wenn Du möchtest, dass Dein Kunde Dir gegenüber mit offenen Karten spielt, dann musst Du das selbst auch tun. Es gibt sicher Fälle, in denen Du aus geschäftspolitischen Gründen nicht alle Fakten offenlegen kannst. Diese Fälle müssen aber die Ausnahme sein, wenn Ihr in einer positiven Art und Weise mit Euren Kunden Geschäfte machen wollt.

Übernehme die Verantwortung für die Konsequenzen

Ein klassischer Fall, der mir früher häufig begegnet ist: Ein Lieferant erkennt den Mangel an, aber die finanziellen Konsequenzen, die damit verbunden sind, lehnt er ab. Das ist für mich nicht logisch. Wenn ein Mangel nachweislich und anerkannter Weise durch das liefernde Unternehmen verursacht wurde, dann muss dieses Unternehmen auch die Konsequenzen und die Verantwortung für alle entstehenden Kosten und Nachwirkungen übernehmen.

Schließlich musst Du davon ausgehen, dass es diese Konsequenzen ohne den Fehler Eures Unternehmens nicht gegeben hätte! Das mag schwerfallen, aber im Prinzip ist es doch so: Ihr hattet die Möglichkeit, den Mangel zu vermeiden, sodass es erst gar nicht zur Reklamation kommen musste!

Sorge für sofortige Nachbesserung oder Regulierung

Damit Du bei Deinen Kunden nicht den Eindruck erweckst, stets die Fehler bei anderen als Euch selbst zu suchen, solltest Du eingestandene Mängel zügig regulieren oder so nachbessern, dass die gekaufte Ware bei erneuter Anlieferung anstandslos durch Deinen Kunden verwendet werden kann.

Was glaubst Du wohl, kommt bei Ihren Kunden besser an: Ein Lieferant, der trotz einiger Mängelrügen stets professionell mit ihnen Umgeht und zügig reguliert oder ein Lieferant, der zwar nur wenige Mängelrügen erhält, aber bei jedem Vorfall streitet bis aufs Blut, bevor er einen Mangel eingesteht?

Mit wem würdest Du lieber zusammenarbeiten?

Halte Dir immer vor Augen, dass Dein Kunde am liebsten Ware ohne Mangel erhält, die ohne Zwischenfälle weiterverarbeitet werden kann. Kein Kunde beschäftigt gerne ganze Abteilungen mit dem Verfassen von Mängelrügen, wenn er eine Alternative hat.

Durch eine reibungslose Rücknahme, Nachbesserung und/oder Regulierung von Mängeln und Schadensfällen kannst Du Dich daher als positives Beispiel hervortun und man wird langfristig die Art wie Du mit Fehlern umgehst, schätzen.

Analysiere genau die Fehlerursachen

Die Regulierung eines Schadens oder der Austausch einer Fehllieferung sorgt zunächst dafür, dass der Kunde aufgrund des von Ihnen verursachten Mangels keine weiteren negativen Auswirkungen erfährt.

In der direkten Folge solltest Du bei jedem Mangel eine detaillierte Ursachenanalyse durchführen. Neu-Deutsch spricht man heute immer häufiger von „Root-Cause-Analyse“. Viele Unternehmen tun sich damit schwer. Damit gemeint ist die interdisziplinäre Untersuchung eines Vorfalls, um die möglichen Ursachen festzustellen und ideale Lösungen für die Vermeidung umzusetzen.

Auch für Dich und Dein Unternehmen stellen Reklamationen äußerst unerwünschte Ereignisse dar und sollten möglichst vermieden werden. Dabei kann Dir oft nur eine Ursachenanalyse helfen. Selbst wenn eine Analyse nicht zu 100 % zu einer Benennung der letztendlichen Ursache führt, so erlangst Du durch jede derartige Betrachtung ein noch detaillierteres Bild von den Abläufen in Ihrem Unternehmen. Gegenüber Kunden macht es allemal mehr Eindruck, detailliert zu beschreiben, was alles geprüft und ausgeschlossen werden konnte, als kein vernünftiges Statement abzugeben.

Die meisten Eurer Kunden werden heutzutage ohnehin auf die Zusendung einer Stellungnahme mit entsprechenden Maßnahmen bestehen. Vorangehen sollte immer eine Ursachenanalyse, um wirklich den genauen Grund eines Mangels zu kennen.

Teile den Kunden ruhig das Ergebnis Eurer Ursachenanalyse mit, auch wenn dieser nicht explizit danach fragt. Du zeigst ihm dadurch, dass Ihr den Mangel von allen Seiten beleuchtet und alles tut, um ein erneutes Auftreten zu verhindern.

Ich finde, es gibt fast nichts Unangenehmeres, als dem Kunden vollmundig Maßnahmen zu präsentieren, die dann in der Folge nicht wirksam sind. Mache daher bitte nicht den Fehler und stürze Dich auf die nächstbeste Erklärung – einerseits um Deinen Kunden zu besänftigen, andererseits weil Dir diese am plausibelsten erscheint.

Leite Maßnahmen ab und lerne aus dem Fehler

Erst nach der detaillierten Ursachenanalyse sollte die Festlegung von Maßnahmen erfolgen. Diese Maßnahmen können in unterschiedliche Richtungen gehen. Wichtig ist nur, dass sie dem Ziel dienen sollten, das Auftreten des Mangels zumindest zu reduzieren und wenn möglich, komplett abzustellen.

Halte intern fest, wer die einzelnen Maßnahmen umzusetzen hat und bis wann dies geschehen soll. Bitte gebe bei der Definition der Verantwortlichkeit für eine Maßnahme stets die direkt verantwortliche Person an und nicht ganze Abteilungen. Denn sonst ist unklar, wer sich genau um das Thema kümmert. Beim Follow-up weiß später eventuell niemand mehr, wer die verantwortliche Person war.

In der Kommunikation mit Ihrem Kunden können Sie dagegen gerne pauschaler werden und „Produktion“ oder „Logistik“ als umzusetzende Fakultät angeben. Benennen Sie auf jeden Fall Maßnahme und Termin gegenüber Ihrem Kunden und begründen Sie jeweils, inwieweit die Umsetzung zur Verbesserung der Situation führen soll.

Mache hier bitte keine leeren Versprechungen. Wenn Du von vornherein weißt, dass eine Maßnahme den Mangel nicht zu 100 % abstellt, tue dies offen kund, ansonsten kann Deine Maßnahme als komplett unwirksam angesehen werden und Dein Unternehmen verliert an Glaubwürdigkeit.

Setze  Maßnahmen termingerecht, nachhaltig und dokumentiert um

Die benannten Maßnahmen sind nur dann etwas wert, wenn sie tatsächlich umgesetzt werden. Daher setze insbesondere die Dinge, die Ihr Euch sich selbst auferlegt habt, fristgerecht und komplett um.

Terminlich fixierte Maßnahmen sind eine Art Commitment. Es gibt hier aus meiner Sicht nur zwei Möglichkeiten: Entweder Du setzt die Maßnahme innerhalb der Frist um oder, sofern dies nicht möglich ist, informierst den Kunden so früh wie möglich darüber, dass eine längere Zeit benötigt wird oder eine Änderung durchgeführt werden muss.

Dokumentiere genau, was unternommen wurde und beobachte die Resultate nach der Veränderung. Wenn Du Deinen Kunden über den aktuellen Stand auf dem Laufenden hältst – egal ob die Resultate positiv oder negativ sind – erhältst Du die Chance, dass Euer Kunde weiter Vertrauen zu Euch (und insbesondere zu Dir als Person) aufbauen kann. Er wird Dein Urteil dann in Zukunft eher Glauben schenken.

Wenn Du eine wichtige Veränderung in Deinem Unternehmen installiert hast, durch die Euer Kunde spürbar eine verbesserte Qualität wahrnehmen wird, dann traue Dich ruhig, ihn nahezu feierlich darüber zu informieren.

Dies dient einerseits dem weiteren Vertrauensaufbau, andererseits sorgt diese Information auch dafür, dass Du intern weiter am Ball bleiben, denn Du hast Eurem Kunden die Zusicherung gegeben, dass sich von nun an ein bestimmter Mangel reduzieren oder abstellen wird.

Einerseits mögen wir Qualitätsmanager größtmögliche Sicherheit von unseren Lieferanten. Gegenüber unseren Kunden möchten wir aber möglichst große Spielräume und wenig Grenzen haben. Daher vermeiden wir es meist, uns selbst anderen gegenüber festzulegen. Dabei sorgen konkrete und erfüllte Festlegungen für noch größeres Vertrauen in die gegenseitige Lieferbeziehung!

Fazit

Ich hoffe, dass ich mit diesen Gedanken einen Gegenpol zum letzten Blogartikel „Professioneller Umgang mit fehlerhaften Rohwaren und Dienstleistungen“ setzen konnte. Sicher gibt es mannigfaltige Vorfälle, die es nicht möglich machen, meine Anregungen zu 100 % Folge umzusetzen

Mir ist allerdings wichtig, dass Du alles, was Du tust, stets bewusst tust und sich im Vorfeld Gedanken über Konsequenzen und die Sichtweise Eurer Kunden machen.

Denn im Grunde haben wir doch alle ein Ziel: Produkte und Dienstleistungen, die ihr Geld wert sind, die der Kunde gerne kauft und die ihn zufriedenstellen.

Durch die oben beschriebenen Vorgehensweisen helfen wir als Qualitätsmanager aktiv dabei mit, unser Unternehmen erfolgreicher zu machen. Außerdem können wir es so schaffen, aus der Not eine Tugend zu machen und trotz Reklamationen positiv wahrgenommen zu werden.

Dr. Benedikt Sommerhoff, DGQ, Qualitätsehrlichkeit
#080 Wir brauchen wieder mehr Qualitätsehrlichkeit
Verhalten von Mitarbeitern ändern
Professioneller Umgang mit Mängelrügen bei Rohstoffen und Dienstleistungen