Was den meisten QM-Systemen fehlt, ist die Systematik

Ich behaupte, die meisten Unternehmen haben keine Systematik in ihrem Qualitätsmanagement, auch wenn sie ein zertifiziertes QM-System betreiben.

Ja, es ist ein starkes Statement, dass ich behaupte, die meisten Unternehmen hätten keine Systematik in ihrem Managementsystem. Und das klingt jetzt erst mal ein wenig paradox, aber ich erkläre Dir, was ich genau damit meine.

Ich beziehe mich bei meinen Aussagen hier vorrangig auf die ISO 9001 in der Version von 2015, aber das gleiche Problem erkenne ich bei sehr vielen anderen Managementsystemen. Egal ob Umweltmanagement, Energiemanagementsystem, Nachhaltigkeit.

Egal um welches Managementsystem es sich handelt, insbesondere die ersten Kapitel der Normen, die nach der High Level Structure aufgebaut sind, werden sträflich vernachlässigt.

Man macht nur das nötigste um Auditor:innen zufriedenzustellen und meistens ist nicht wirklich Substanz dahinter.

Ich glaube, jede Tätigkeit die wir als Qualitätsmanager:in im Unternehmen durchführen, sollte einen Mehrwert für das Unternehmen haben. Jeder Schritt, den wir tun, baut auf einen anderen auf. 

Ich erkläre Dir nun die groben Zusammenhänge dieser Bausteine, die ich besonders häufig vernachlässigt sehe.

 

Der Kontext als Basis für das QM-System

In Kapitel 4 starten wir mit dem Kontext der Organisation. Eine Firma muss erst mal wissen, in welchem Kontext sie sich bewegt, wer die interessierten Parteien (intern wie extern) sind und daraus extrahieren wir dann die internen und externen Themen. Also um wen wir uns kümmern müssen und was sie deren Anforderungen sind.

Daraus müssen wir natürlich ableiten, was wir tun müssen, um diese Anforderungen bestmöglich und dauerhaft zu erfüllen.

Vorangestellt natürlich die Frage: wollen wir überhaupt alles Mögliche tun, um die Anforderungen zu erfüllen und die interessierten Parteien zufriedenzustellen?

Oder gehen wir das Risiko ein, dass interessierte Parteien eben nicht zufrieden sind und was wären die Konsequenzen daraus?

Doch, dazu später mehr. Aus dieser Sammlung machen wir dann den Geltungsbereich. Wir stecken also die Grenzen ab. Um wen wann und in welchem Maße wir uns kümmern. Wie genau, das kommt dann in späteren Kapiteln.

Gleichsam mit dem Gedanken über den Geltungsbereich haben wir auch definiert, wer und wo eigentlich unsere Kunden sind. 

All das überlegst Du Dir in den vorderen Kapiteln zum Thema Kontext. Interne und externe interessierte Parteien und interne und externe Themen: aus all diesen Punkten wiederum baut Ihr eine Qualitätspolitik, eine Umweltpolitik oder eine Energiepolitik.

Nach welchem System Ihr auch immer arbeitet. Die Politik (ich nehme sie lieber Leitbild) beschreibt, wie sich Menschen in allen Situationen verhalten sollen. Hier wird der Grundstein dafür gelegt, dass Menschen sich auch dann, wenn niemand hinschaut, richtig verhalten, weil sie über dieses Leitbild wissen, worauf es dem Unternehmen ankommt.

Sowohl in der innen Wirkung als auch in der Außenwirkung, wenn es zum Beispiel um die Zusammenarbeit mit Lieferanten, Kunden oder Behörden geht, ist das wichtig.

Rollen definieren, anstatt von der Rolle sein

Als Nächstes weist das Unternehmen Rollen, Verantwortungen und Befugnisse zu. Es definiert, wer die Führungskräfte sind, wer an wen berichtet und wer die Kompetenz für Entscheidungen hat.

Das ist dann schon eines der Kapitel das nicht mehr ganz so stark für Kopfzerbrechen sorgen. Bei denen viele Qualitätsmanager:innen schon intuitiv wissen, dass diese Bestandteile wichtig sind.

Das nächste Kapitel, bei dem ich immer wieder sehe, dass Unternehmen und Qualitätsmanager:innen sich schwertun, ist der Teil mit den Risiken und Chancen.

Da gibt es das Märchen, dass es zu jedem Risiko auch eine Chance geben muss und umgekehrt. Da gibt es teilweise Listen, die jemand heruntergetippt hat, damit man es dem Auditor zeigen kann.

Aber tatsächlich passiert mit den Inhalten oft nichts und oft wurden sie seit Jahren nicht überarbeitet. Das ist grausam.

Das Kapitel Risiken und Chancen dient zum einen dafür, dass das Unternehmen identifiziert, an welchen Stellen es überhaupt Risiken und Chancen gibt. An welchen Prozessen und in welchem Zusammenspiel mit internen und externen Parteien und Themen sie stehen.

Es sollte aber auch dabei helfen zu erkennen, wann ein Risiko eine Chance mit sich bringt und umgekehrt. Das große Ziel dieser „Übung“ ist, dass die Risiken möglichst zu reduziert und die Chancen möglichst stark zu betont – über entsprechende Maßnahmen, die Du natürlich nachhalten musst.

Eine Liste zu haben mit Risiken und Chancen, aus der sich überhaupt keine Aktionen für das weitere Vorgehen ergeben, und die langfristig nicht überarbeiten wird, hat überhaupt keinen Mehrwert. Da kannst Du es gleich sein lassen.

Das bedeutet auch, dass Du nicht nur einmal eine Liste erstellt, sondern immer, wenn irgendetwas im Unternehmen passiert, musst Du schauen, ob das Thema Risiken und Chancen angepasst werden muss.

  • Ihr bekommt einen neuen Lieferanten? Ihr bekommt neue möglicherweise unbekannte Risiken
  • Ihr stellt neue Mitarbeiter ein? Auch damit kommen Risiken und Chancen ins Unternehmen. Das gibt dann wiederum eine Rückkopplung auf das Thema Bewusstsein, Kompetenz und Befugnisse.
  • Gleiches gilt, wenn Ihr ein neues Produkt auf den Markt bringt oder eine neue Dienstleistung entwickelt. Hier stecken auch wiederum Risiken und Chancen und auch hier ist wieder die Aufgabe, Risiken möglichst zu reduzieren und Chancen möglichst gut zu realisieren.

 

Der Übergang in den Betrieb des QM-Systems

Erst jetzt kommen wir in den eigentlichen Betrieb des Managementsystems, wo es darum geht, welche Standards die Leistung erfüllen muss. Welches die Kundenanforderungen sind, (ausgesprochenen und nicht ausgesprochene). Wie mit Kundeneigentum zu verfahren ist und so weiter.

Ich glaube, das ist relativ selbsterklärend, weil wir uns die meiste Zeit ohnehin mit der Leistung für unseren Kunden beschäftigen.

Nun überspringe ich einige operative Kapitel, weil wir uns im Unternehmen auch mit ihnen automatisch intensiv beschäftigen.

Im Kapitel 9 geht es um interne Audits. Die meisten Qualitätsmanager:innen nutzen interne Audits lediglich dafür, um festzustellen, ob die Anforderungen der ISO 9001 oder eines anderen Managementsystems eingehalten werden.

Sie kümmern sich nicht um die Anforderungen des eigenen Unternehmens. Sie kümmern sich nicht um die Weiterentwicklung des Systems, also die Themen abseits der Normkapitel.

Hier wird viel potenzial verschenkt. Ich zeige hier wieder ein paar Rückkopplungen auf: Wenn Du ein internes Audit durchführst und Du findest dort sehr viele Abweichungen, die wiederum Maßnahmen zur Folge haben, dann musst Du wieder schauen, ob das Thema Risiken und Chancen richtig behandelt wurde.

Oder ob Du bestimmte Risiken bisher vernachlässigt hast oder bestimmte Chancen nicht genutzt wurden, weil sie nicht erkannt wurden.

Es kann auch sein, dass hier zutagekommt, dass interne und externe Themen nicht berücksichtigt wurden. Oder interessierte Parteien nicht berücksichtigt wurden.

All das solltest Du hinterfragen, wenn Du die internen Audits auswertest.

 

In der Managementbewertung läuft alles zusammen

Zu guter Letzt ist da noch das wichtige und auch oft unterschätzte Instrument der Managementbewertung. Bei dieser Managementbewertung geht es darum, dass die oberste Leitung und /oder die Führungskräfte einschätzen, wie gut die Leistung des QM-Systems war (also das nicht unmittelbar der Qualitätsmanager:innen allein) und wie gut diese Leistung zu dem passt, was das Unternehmen erreichen möchte.

Also wie gut es zur strategischen Ausrichtung passt und zu den Zielen, die das Unternehmen am Anfang des Jahres oder vielleicht auch früher oder später definiert hat.

Hier fließen alle Informationen aus den vorangegangenen Kapiteln mit ein. Das Unterkapitel, in dem es um die Eingaben zur Managementbewertung geht, ist ziemlich lange.

Schau am besten einmal rein. Jedenfalls schließt sich hier der Kreis. Es wird bewertet, wie gut das Managementsystem zu dem passt, was das Unternehmen erreichen möchte. Und natürlich müssen hier auch Maßnahmen definiert werden. 

Zum Beispiel:

  • Welche Aktionen müssen durchgeführt werden?
  • Brauchen wir mehr Ressourcen?
  • Müssen wir die Befugnisse anpassen?
  • Müssen wir das Bewusstsein der Mitarbeiter:innen steigern?
  • Sind interne oder externe interessierte Parteien / Themen neu dzu berücksichtigen oder fallen welche weg, weil sich die strategische Ausrichtung des Unternehmens geändert hat?

Es sind hunderte von Fragen, die Ihr im Rahmen einer Managementbewertung besprechen und behandeln könnt.

Wenn Ihr mit der Managementbewertung fertig seid und die Maßnahme definiert wurden, dann fängt das Ganze wieder von vorne an.

Fazit: Jedes Zahnrädchen spielt eine Rolle

Wenn Du ein bestimmtes Thema nur einmal im Jahr anfassen musst, ist das ein guter Indikator dafür, dass Du eines der Normkapitel nicht in den unternehmerischen Ablauf integriert hast.

Das kann ein Risiko oder ein verschenktes Potenzial bedeuten. Du hast mit diesem Artikel einige Anregungen dafür bekommen, wo Themen zwingend ineinandergreifen. Nun wünsche ich Dir viel Erfolg bei der Umsetzung. 

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