Neulich im Supermarkt… ich habe das perfekte Beispiel dafür erlebt, wie wir Mitarbeiter demotivieren und bevormunden. Möglicherweise halten viele das, wovon ich gleich erzähle, für die effektive Lösung eines Problems. Ich erachte es als ein Zeichen dafür, dass sie die Mitarbeiter in ihren Unternehmen für nicht intelligent und vielleicht sogar unfähig halten. Menschen, die so denken, haben außerdem kein Interesse daran, sie weiterzuentwickeln und wirksame Schulungen durchzuführen.

Doch, immer der Reihe nach.

Insbesondere an Tagen, an denen ich ins Fitnessstudio gehe, gehe ich in einem Kaufhaus der Kette mit einem großen V im Logo, einkaufen. Und so tue ich das auch an einem sonnigen Samstag im Oktober: Ich hole mir einen Einkaufswagen und stelle meine Kunststoff-Kiste mit Pfandflaschen hinein. Danach bringe ich das Pfand weg, staple meine Einkäufe in die Kiste und gehe zur Kasse.

Dort angekommen lege ich alle Einkäufe auf das Kassenband. Im Wagen befindet sich nur noch meine transparente Einkaufskiste. Und obwohl die Kassiererin sehen kann, dass sich zwischen Kiste und Einkaufswagen keine Waren befinden, bittet sie mich freundlich, die Kiste aus dem Wagen zu nehmen.

Nicht zum ersten Mal frage ich mich: Wozu? Hast Du eine Idee?

Statistik, Gesundheitsschutz oder doch Bevormundung?

Mir ist bereits häufiger aufgefallen, dass sich am Boden der Einkaufswagen Nummern befinden. Allerdings habe ich die Nummern bisher nie mit dem Anheben meiner Kiste in Verbindung gebracht. Diesmal fällt mir zum ersten Mal auf, dass die Kassiererin die Nummer meines Einkaufswagens „4336“ in ihr Display eintippte. Jetzt übermannt mich meine Neugierde und ich frage nach.

Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir bereits allerlei kreative Möglichkeiten zusammengereimt:

  • Eine Statistik zur Umschlagshäufigkeit der Einkaufswagen
  • Eine Möglichkeit, dass die Kassiererinnen auch ab und zu mal aufstehen müssen, denn gerade die etwas kleineren Personen müssen sich ein wenig erheben um auf den Boden der Wagen schauen zu können

Die tatsächliche Antwort der Kassendame verblüfft und irritiert mich zuerst – und macht mich danach wütend.

Mitarbeiter demotivieren – unter dem Deckmantel der Problemlösung

Es scheint wohl so zu sein, dass die Kunden häufiger Waren in den Einkaufswagen lassen, sodass die Kassenkräfte diese nicht erfassen – zum Beispiel Getränke-Sixpacks, die man nicht aufs Band stellt.

Das Manöver, den Kunden darum zu bitten, seine Kiste anzuheben, beruht tatsächlich auf der Schikane der Kassenkraft, die Nummer des Einkaufswagens in ihr Kassensystem zu tippen – als Nachweis dafür, dass sie tatsächlich in diesen Wagen reingeschaut und kontrolliert hat, dass dieser tatsächlich leer ist!

Ich habe nicht glauben können, wie wenig man den Mitarbeitenden in diesem Unternehmen vertraut.

Natürlich muss ich auch gleich nachfragen, was denn passiert, wenn ich nur eine Tüte und keinen Wagen habe. Dafür gibt es dann separate Nummern. Meine nächste Frage wird mir bereitwillig vorweg beantwortet: Wenn eine Mitarbeiterin nun den ganzen Tag über nur Kunden ohne Wagen bedient, dann wird das scheinbar sogar damit abgeglichen mit welcher statistischen Häufigkeit sich Nummern also Einkaufswagen wiederholen.

Ich empfinde das als unfassbar großes Misstrauen gegenüber den Menschen! So werden die Mitarbeiter innerhalb kürzester Zeit demotivieren.

Traust Du den Mitarbeitern in Eurem Unternehmen genauso wenig zu?

Ich kann nur hoffen, dass diese „elegante Lösung“ keinem Qualitätsmanager eingefallen ist. Eine Schande für unsere Zunft. Natürlich kann es sein, dass durch ein solches Fehlverhalten von Mitarbeitern monetäre Verluste entstehen, indem Waren nicht abkassiert werden.

Aber hey: Fällt dem Einzelhandel nichts Besseres ein, als die Mitarbeiter per Kamera zu filmen oder sonst wie auf Schritt und Tritt zu überwachen? Nur so kann ich mir erklären, dass so viele Mitarbeiter der weltbekannten Ketten derart motiviert, hilfsbereit und freundlich sind (bitte stelle Dir hier einen ironischen Unterton vor).

Diese organisatorische Maßnahme der Supermarktkette ist leider kein Einzelfall. Ich kenne Unternehmen aus der Industrie, da müssen Mitarbeiter Zählerstände von Displays in ein Formular abschreiben – und zwar nur deshalb, damit das betreffende Display im erforderlichen Abstand kontrolliert wird. Als ob unsere Mitarbeiter nichts Besseres mit ihrer Zeit anfangen könnten!

Wenn Du Eure Mitarbeiter so behandelst, dann brauchst Du Dich nicht wundern, wenn versucht wird, Dein System zu umgehen und auszutricksen!

Vermutlich gibt es in jedem Unternehmen Personen, die sich nicht korrekt verhalten wollen. Und mit den beschriebenen Maßnahmen bestrafen und bevormunden Sie die Guten in Ihrem Team!

Investiere in wirksame Schulungsmaßnahmen und schaffe ein gesundes Betriebsklima

Dein Unternehmen ist nur so gut, wie das schwächste Teammitglied. Schwäche also Euer Unternehmen nicht dadurch, dass Du Eure Mitarbeiter auf ihrem aktuellen Niveau belässt und nur technische Maßnahmen zur Fehlervermeidung umsetzt.

Besser: Binde die Mitarbeitenden mit ein. Erkläre ihnen das Problem und auch dessen Auswirkungen. Und ganz wichtig: Arbeite an Eurem Betriebsklima! Mitarbeitende, die ihren Job gerne machen, sind darin fast zwangsläufig besser. Das mag einem jungen Marktleiter nicht leicht fallen, der nur autoritär führen kann – oder gar nicht. Konkurrenzdruck tut wohl noch ihr Übriges.

Wir sollten über richtiges Führungsverhalten unsere Mitarbeiter zu Mitstreitern an einem größeren Ziel machen. Dann müssen wir unsere Leute nämlich auch nicht motivieren – wir bauen lediglich Hindernisse ab, die zu Demotivation führen. Auch wenn viele Qualitätsmanager das nicht gerne lesen: Für mich ist Vertrauen in mein Team das höchste Gebot – und erst, wenn Vertrauen enttäuscht wird, muss ich mehr Kontrollen einbauen. Und das wissen Mitarbeiter dann zu jedem Zeitpunkt!

Wenn Du Ideen zur wirksamen Durchführung von Schulungen benötigst, empfehle ich Dir diesen Artikel. Solltest Du eher auf Hörfutter stehen, dann lege ich Ihnen die entsprechende Podcast-Serie ans Herz, die mit Episode 36 beginnt.

Fazit

Du kannst das, was ich oben beschreibe, als clevere Lösung eines immer wiederkehrenden Problems bezeichnen. Und ich finde, es ist nur die zweitbeste Lösung. Die Lösung, zu der Du erst greifen solltest, nachdem Du alles versucht haben, Eure Mitarbeitenden auf das nächste Level zu bringen. Eine Herausforderung, ganz sicher. Und das sind Mühen, die sich lohnen!

Bessere Mitarbeiter = besseres Team = bessere Leistung des Unternehmens = bessere Leistung der Führungskraft!

Show-Notes zur Podcast-Episode

Den Blogartikel und die Podcat-Episode zur Verhaltensänderung von Mitarbeitern findest Du hier.

Kennzahlen im Qualitätsmanagement Beispiele und Herausforderungen
Alles über Führung im Qualitätsmanagement
Führung im QM-System
Die Rolle der Führung im QM-System