093 Kennzahlen im Qualitätsmanagement. Herausforderungen und Beispiele

Warum brauchst Du Kennzahlen im Qualitätsmanagement?

Stelle Dir bitte vor, Du fährst mit dem Auto. Und Du fährst ohne Rück- und Außenspiegel, ohne Armaturenbrett und ohne Bordcomputer oder Navigationssystem. Dann weißt Du zwar, dass Du fährst, wo Du gerade bist und vielleicht auch, wohin Du willst. Was Du nicht weißt: wie schnell Du fährst, ob mit Deinem Auto alles in Ordnung ist und welche Hindernisse möglicherweise auf Deiner Strecke liegen.

So verhält es sich, wenn ein Unternehmen keine Kennzahlen bestimmt. Auf das Qualitätsmanagement bezogen: es stehen keine Informationen  zur Qualitätslage zur Verfügung. Wirksame Ziele kannst Du so nicht vereinbaren. 

Was haben Kennzahlen im QM mit Zielen zu tun?

Gehen wir ein paar Schritte zurück. Du arbeitest für ein Unternehmen und dieses Unternehmen erfüllt einen Zweck. Nämlich Bedürfnisse von Kunden zu befriedigen oder deren Probleme zu lösen. Das  kannst Du als Mission bezeichnen. 

Diese Mission erfüllt das Unternehmen mittels einer Strategie. Also einem planvollen Vorgehen, das auf den Markt und die Kunden zugeschnitten ist. Damit jeder Mitarbeiter in jeder Abteilung weiß, mit welchen Tätigkeiten die Strategie realisiert wird, gibt es die Ziele. 

Und damit Du weißt, ob ein Ziel erreicht wird und ob Du der Strategie Schritt für Schritt näherkommst, definierst Du eine oder mehrere Kennzahlen. Sie lassen Dich erkennen, ob Du auf dem richtigen Weg bist. Du könntest sie deshalb auch als Erkenntniszahlen bezeichnen. 

Sie sollen Dich zu Erkenntnissen führen. Ist der Weg richtig? Muss ich schneller fahren, um zur richtigen Zeit anzukommen? Muss ich ein Hindernis umfahren? Und wenn ich einen Umweg nehme (bewusst oder unbewusst), wie finde ich wieder zur gewünschten Route zurück?

Vielleicht hast Du schon einmal von der SMART-Formel gehört. Sie wird als Gedankenstütze oder Faustregel bei der Zielformulierung verwendet und setzt sich aus den englischen Wörtern „specific, measurable, achievable, reasonable, time bound“ zusammen. In diesem Artikel zur wirksamen Vereinbarung von Zielen kannst Du mehr erfahren. 

Halten wir fest: das Ziel ist eine gewünschte Veränderung von der aktuellen Situation zu einer neuen Situation in einer von Dir bestimmten Zukunft. Die Kennzahl zeigt Dir, wie weit Du schon bist und wie viele schritte Du noch gehen musst. Ohne Ziel sind Kennzahlen nett, aber wenig hilfreich.

Sieben Kriterien, die im QM zu messen sind

Das Wort „Kennzahl“ taucht in der ISO 9001:2015 nich auf. Gleichwohl wird das Thema behandelt, nämlich in Kapitel 9.1 „Überwachung, Messung, Analyse und Verbesserung“. Dort heißt es sinngemäß, was Organisation messen, analysieren und verbessern möchte und mit welcher Methode sie das tut. 

Die Zeit spielt außerdem eine Rolle. Du musst festlegen, wann gemessen und wann analysiert wird. Das kann ein Unterschied sein, denn nicht nach jeder einzelnen Messung ist eine Analyse sinnvoll. Einige Messungen nehmen wir während des ganzen Jahres vor, analysieren aber nur nach Jahresabschluss.

Diese Häufigkeiten sind von mehreren Faktoren abhängig. Zum Beispiel, wie viele Ergebnisse pro Zeiteinheit vorliegen und wie schnell sich aus wie vielen Messwerten signifikante Erkenntnisse ziehen lassen.

Die ISO 9001:2015 listet die folgenden sieben Kriterien hinsichtlich Überwachung, Messung, Analyse und Verbesserung (in Kapitel 9.1.3) auf:

Konformität von Produkten und Dienstleistungen

Grad der Kundenzufriedenheit

Leistung und Wirksamkeit des QM-Systems

Umsetzungsgrad und Wirksamkeit der Planung

Wirksamkeit von Maßnahmen zu Risiken und Chancen

Leistung externer Anbieter

Bedarf an Verbesserung des QM-Systems

Die Kennzahl um der Kennzahl willen

Die Definition der richtigen Kennzahl (nicht nur im Qualitätsmanagement) hängt entscheidend davon ab, welche Situation Du beobachten, analysieren und verbessern möchtest. 

Ich möchte Dir einige Denkanstöße geben, wie Du zu den für Dich und Dein Unternehmen richtigen Kennzahlen kommst. Die Herangehensweisen können sehr unterschiedlich sein. Je nachdem, welche Erkenntnisse Du erhalten möchtest.

Das „M“ in der SMART-Formel für die Messbarkeit führt uns nun zurück zu den Kennzahlen. Das ist häufig der erste Fehler: wenn die Zieldefinition unbewusst übersprungen und gleich nach einem messbaren Kriterium gesucht wird. Oft lässt sich die gewünschte Situation in der Zukunft jedoch nicht direkt messen. Manchmal ist die Messung nur indirekt möglich oder Du brachst mehr als eine Kennzahl um eine sinnvolle Aussage treffen zu können.

Die entscheidende erste Frage ist demnach nicht, was Du möglichst leicht messen kannst, sondern welche Situation Du durch die Messung sichtbar machen und verändern willst. Oder bei der Du beobachten möchtest, ob eine Aktion nötig ist.

Diese Situationen lassen sich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Ich gebe Dir drei Beispiele.

Eine Studie zum Reisemanagement

Dieses Beispiel stammt aus einer Studie von Ende 2019, die von der BCD Group durchgeführt wurde. Es geht um die Durchführung von Dienstreisen und um die Herausforderungen bei der Definition von Kennzahlen. Die Studie beschreibt, dass der überwiegende Teil der Reise-Manager den Fokus auf Finanzkennzahlen legt. Dies aus zwei Gründen: Dienstreisen sind oft ein hoher Kostenfaktor und diese Zahlen sind relativ leicht zu erheben. 

Neben dem Blickwinkel. dass Dienstreisen möglichst kosteneffizient durchgeführt werden sollen, spielt es auch eine wichtige Rolle, den Reisenden ein möglichst angenehmes „Reiseerlebnis“ zu bescheren. Ein sehr subjektiver Faktor, der sehr viel schwerer zu messen ist, als die Kosten pro Flug oder Hotel. Schließlich gibt es teure aber schlechte Hotels, sowie günstige und gute Unterkünfte. Dazu kommen die unterschiedlichen Präferenzen der Reisenden. 

Diese Erkenntnis macht die sinnvolle Definition von Kennzahlen unweigerlich komplizierter – und führt eventuell zur Notwendigkeit, Maßnahmen spezifisch für einzelne Nutzergruppen zu definieren. Konkret: man muss die Reisenden um ihr Feedback bitten und dies möglichst objektiv erfassen. Daraus lassen sich dann ggf. Cluster bilden: Geschäftsführer haben andere Anforderungen, als Projektmanager und benötigen deshalb andere Angebote, um die Wirkung einer Dienstreise optimal zu unterstützen. 

Es ist ein großer Unterschied, ob Du die Dienstreise einfach  nur so günstig wie möglich einkaufen oder den Reisenden bei größtmöglicher Kosteneffizienz den höchsten Komfort bieten möchtest.

Die Reklamationsauswertung: eine klassische Kennzahl im Qualitätsmanagement.

Übertragen wir dies auf das QM. Viele Qualitätsmanager begnügen sich damit, die Anzahl eingehender Reklamationen zu zählen und deren Entwicklung zu verfolgen. Denn Reklamationen sind ein wichtiger Gradmesser für negative Kundenzufriedenheit. Doch was sagt diese Zahl alleine aus?

Wenn zum Beispiel in einem Zeitraum deutlich mehr Produkte verkauft wurden, ist ein absoluter Anstieg an Reklamationen möglicherweise nicht dramatisch. Ein Ansatz könnte sein, eine Reklamationsquote in Prozent zu definieren. Und vielleicht sogar, einzelne Produktgruppen zu unterscheiden. Das schafft Vergleichbarkeit. 

Das verschafft Dir zunächst einen Überblick. Um echte Erkenntnisse aus der Reklamationsstatistik ziehen zu können, ist interessant, welche Fehler hinter den Reklamationen stecken. Wie bei den Dienstreisen kannst Du Gruppen bilden und zum Beispiel jedes Jahr ein Programm zur Reduzierung der Reklamationen in der Kategorie mit den höchsten Fehlerzahlen ins Leben rufen. 

Ein anderer Blickwinkel könnte sein, dass jede Reklamation für Dein Unternehmen unterschiedlich hohe Kosten verursacht. Kosten für das Produkt, die Rückholung oder Garantieansprüche. Mit dieser Betrachtungsweise kannst Du außerdem einschätzen, welche Investition in die Ursachenbehebung rein finanziell lohnenswert ist. 

Eine dritte Betrachtungsweise beschreibt die Auswirkung eines Fehlers für die Kunden. Ist ein Produkt durch den Fehler unbenutzbar? Oder ist der Fehler rein optisch? Eventuell ist das Produkt einwandfrei und es lag nur an zu langer Lieferzeit oder fehlenden Lieferdokumenten. 

Zuerst die „Low Hanging Fruits“?

Im Management neigen wir häufig dazu, erst an den Aspekten zu arbeiten, bei denen wir schnelle und leichte Erfolge erzielen können. Doch sind das die Erfolge, die unser Unternehmen voranbringen und in denen das größte Potenzial steckt?

Da sollten wir genau hinschauen. Würdest Du zuerst an der Reduzierung der 200 Reklamationen arbeiten, die aufgrund beschädigter Verpackung während des Transports auftreten und die per Gutschrift zu Kosten von wenigen Tausend Euro führen? 

Oder an der Vermeidung eines Fehlers, der bei der letzten Reklamation zu einem Produktrückruf mit mehreren Millionen Euro Schaden geführt hat? 

Wahrscheinlich fällt Dir die Antwort relativ leicht, weil ich zwei sehr extreme Beispiele gewählt habe. Schaue einmal genau hin, wie in Deiner Firma hier vorgegangen wird. Eine goldene Regel gibt es nicht. Das, woran Du arbeitest, muss zu der Strategie des Unternehmens passen.

Über 200 Qualitätsindikatoren ausgewertet

Das dritte Beispiel aus dem Gesundheitswesen zeigt, dass die Definition von Kennzahlen und Ableitung von Maßnahmen daraus nahezu monströse Ausmaße annehmen können. 

Der QS-Report 2019 des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen erarbeitet jährlich, in welchen Versorgungsbereichen im Gesundheitswesen Verbesserungsbedarf erkannt wurde. Für diesen Report wurden 23 Qualitätssicherungsverfahren angewandt und mehr als 200 Qualitätsindikatoren berücksichtigt. Insgesamt sind über 770.000 Datensätze in die Statistik eingeflossen.

Der QS-Report ist kostenfrei als PDF verfügbar (auch als 8-seitige Zusammenfassung). Neben der zu einfachen Betrachtungsweise zeigt dieses Beispiel das andere Extrem. Denn bei so großen Datenmengen und derart vielen Einflussfaktoren ist eine Interpretation der Ergebnisse ganz besonders wichtig. Nicht jeder kann die Details dahinter verstehen – aber jeder muss verstehen, zu welchen Erkenntnissen die Messung gelangt und welche Maßnahmen abgeleitet werden sollen. 

Ziel > Kennzahl > Erkenntnis > Verbesserung

Ich hoffe, diese Blickwinkel helfen Dir dabei, die für Dich richtigen Kennzahlen zu definieren und mit ihrer Hilfe Dein Qualitätsmanagement nachhaltig zu verbessern. Damit Deine nächste Autofahrt nicht ohne Rückspiegel und Armaturenbrett verläuft, sondern Du stets weißt, wo Du mit Deinem QM-System stehst. 

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