Tool-Tipp: Mit Histogramen Ihre Prozesse verbessern

In einem früheren Blogartikel zur Zukunft des Qualitätsmanagements habe ich geschrieben, dass ich die Meinung vertrete, wichtige Aspekte dieser Zukunft sind der Umgang mit großen Datenmengen und die Beherrschung von Methoden.

Mit beiden Themen beschäftigt sich der vorliegende Artikel. Ich möchte Ihnen zeigen, was Sie mit der Visualisierung durch einfache Säulendiagramme oder etwas komplexere Histogramme bewerkstelligen können.

Mit Säulendiagrammen und Histogrammen lassen sich so genannte Häufigkeitsverteilungen visualisieren. Man sieht also, wie häufig ein Attribut pro Betrachtungsgröße vorkommt. Das klingt sehr vage, aber vor allem deshalb, weil das Werkzeug so universell einsetzbar ist.

Warum sollten Sie Häufigkeitsverteilungen überhaupt visualisieren?

Ich bezeichne die Visualisierung von Häufigkeitsverteilungen gern als eine Art „kleines Six Sigma“. Man kann damit sehr gut auch für größere Datenmengen veranschaulichen, in welchen Bereichen sich bestimmte Parameter befinden und wie stark sie um die Sollwerte schwanken.

Durch das Tagesgeschäft sind wir oft in Einzelentscheidungen gefangen. Tritt für einen Parameter eines einzelnen Produktionsloses eine Abweichung auf, dann reagieren wir entsprechend der Priorität und der Ausprägung der Abweichung.

Aber wie häufig kommen solche Abweichungen vor und wie gravierend sind sie? Gibt es Zusammenhänge mit äußeren Einflüssen oder bestimmten Prozessgegebenheiten? All das sehen wir meist nur, wenn wir einen Schritt vom Tagesgeschäft zurücktreten und uns die Datenmengen mit einer neuen Perspektive betrachten.

Das verschafft uns dann nicht nur einen Überblick über die tatsächliche Situation. Es versetzt uns auch in die Lage, bessere Entscheidungen zu treffen, die zu einer Verbesserung führen können.

Was ist er Unterschied zwischen Säulendiagramm und Histogrammen?

Prinzipiell kann man sagen, dass ein Histogramm auch eine Art Säulendiagramm ist. Säulendiagramme eignen sich sehr gut, um Merkmale mit geringer Ausprägung nach ihrer Häufigkeit darzustellen. Wenn ein Unternehmen also zum Beispiel zeigen möchte, wie häufig es die einzelnen Artikel ihres Portfolios verkauft.

Ein Histogramm wird dann verwendet, wenn eine hohe Merkmalsausprägung vorliegt. Wenn Sie zum Beispiel Werkstücke vermessen und die gemessenen Werte in Zentimeter mit zwei Nachkommastellen darstellen. Dann werden sehr viele unterschiedliche Werte vorliegen, bei denen man schnell die Übersicht verliert.

Hier kommt das Histogramm ins Spiel indem es die exakten Werte in so genannte Klassen gruppiert. Zur Veranschaulichung folgt eine Infografik die Daten eines fiktiven Unternehmens zeigt. Das Unternehmen Produziert drei verschiedene Fruchtsäfte. Es soll folgendes visualisiert werden:

  • Wie häufig werden die einzelnen Produkte von Kunden bestellt?
  • Wie viel Gewinn wirft jede einzelne Flasche ab?

Die Daten werden zunächst Strichliste gesammelt:

Zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert können theoretisch noch sehr viele weitere Preise genau einmal vorkommen. Das würde eine Visualisierung sehr übersichtlich machen, so lange man nicht so viele Daten hätte, damit sich eine Tendenz zeigt.

Ich hoffe, mit der Infografik konnte ich deutlich machen, dass bei bestimmten Parametern die Einteilung der Werte in Klassen eine sinnvolle Sache sein kann.

Da die Erstellung von einfachen Säulendiagrammen mit Excel sehr einfach möglich ist, fokussiere ich mich in den folgenden Zeilen auf den Einsatz und die Erstellung von Histogrammen.

Welche Einsatzmöglichkeiten bieten Histogramme?

Ganz besonders gut eignen Sich Histogramme zur einfachen Visualisierung der Prozessfähigkeit. Sie bestimmen die Kennzahlen, die einen Prozess auszeichnen und können mit einem Histogramm feststellen, ob die Daten die Sie erhalten, annähernd normalverteilt sind oder ob eine Schieflage vorliegt in eine Richtung, die für das Endergebnis unerwünscht ist.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die Darstellung der Einhaltung der Fertigpackungs-Verordnung. Dort gibt es Soll-Bereiche, sowie Toleranzuntergrenzen 1 und 2 und dann noch eine Obergrenze (die nur wirtschaftlich und nicht rechtlich interessant ist). Das sind dann im Prinzip vier Klassen. In jeder dieser Klassen können aber sehr viele unterschiedliche Werte liegen, die Sie so zusammenfassen können.

Abgesehen von diesen Anwendungen, die sich gut für ein regelmäßiges Monitoring eignen, können Sie auch für einen beliebigen zurückliegenden Zeitraum für den Messwerte vorliegen, ein Histogramm erstellen und über die verschiedenen Klassen und Störgrößen eine Art Ursachenanalyse betreiben. Das erläutere ich weiter unten.

Die Erstellung eines Histogramms in 4 Schritten

Messwerte erfassen

Der erste und wichtigste Schritt ist der Aufbau einer validen Datenbasis. Die Parameter, die Sie ermitteln, müssen mit derselben Methode ermittelt worden sein um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen.

Ich habe zur Veranschaulichung wieder ein fiktives Beispiel konstruiert. Die Excel-Datei dazu können Sie hier herunterladen um den weiteren Schritten besser folgen zu können.

Die Spannweite „R“ ermitteln

Der erste Schritt besteht in der Berechnung der Spannweite „R“. Das ist die Differenz des Min- und Max-Wertes der Stichprobe. Im Konstruierten Beispiel ergibt sich daraus die folgende Formel inklusive Berechnung:

Die Anzahl der Klassen festlegen

Der zweite Schritt ist die Festlegung der Anzahl an Klassen. Dafür gibt es verschiedene Methoden. Ich beschränke mich hier auf den einfacheren Fall, dass alle Klassen die gleiche Breite haben. Die Visualisierung gelingt dann einfacher.

Drei Möglichkeiten, die Klassenanzahl zu ermitteln, möchte ich nun vorstellen:

Methode I: Klassenanzahl nach Soll-Wert

Nach dieser Methode gibt es nur drei Klassen: Eine Klasse des Sollwert-Bereichs, eine Klasse für Abweichungen unterhalb des Sollwert-Bereiches und eine für Abweichungen oberhalb des Sollwert-Bereiches.
Diese Möglichkeit ist sehr grob aber genügt, wenn Sie lediglich an der Feststellung interessiert sind, ob Ihr Produkt oder Ihr Prozess konform ist, oder nicht.

Für das Beispiel nehmen wir an, der Sollwert-Bereich beträgt 12,15cm bis 12,19cm.

Methode II: Klassenanzahl nach Standardabweichung

Hier ermitteln Sie die Standardabweichung der vorliegenden Messwerte und diese stellt dann gleichzeitig die Klassenbreite dar. Daraus ergeben sich im vorliegenden Beispiel vier Klassen:

Diese Möglichkeit erlaubt ein genaueres Bild davon, wie der zugrundeliegende Prozess beschaffen ist. Liegt eine Normalverteilung der Messwerte vor? Liegen die Ausreißer nah am Soll-Wert oder sind sie weiter davon entfernt?
Problematisch an dieser Methode ist allerdings, dass sich mit der Erfassung weiterer Messwerte zwangsläufig auch die Standardabweichung ändern kann und es dann notwendig werden könnte, die Klassenanzahl zu verändern.

Methode III: Klassenanzahl nach Anzahl der Stichproben

Eine dritte Möglichkeit, die Kassenanzahl festzulegen ist die Berücksichtigung der Stichproben die in die Betrachtung einfließen. Diese Methode lässt Prozess und Produkt komplett außer Acht und behandelt alles was Sie betrachten, gleich.

So gehen Sie vor: Sie ziehen einfach die Wurzel aus der Anzahl der Stichproben und runden das Ergebnis auf die nächsthöhere ganze Zahl auf.

Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, die Klassenanzahl und damit die spätere Klassenbreite zu definieren. Die gezeigten drei Möglichkeiten sollen als Beispiele ausreichen.

Die Breite der Klassen festlegen

Die Breite der Klassen richtet sich zum einen nach der Spannweite R und zum anderen natürlich nach der Klassenanzahl. Die folgende Grafik verdeutlicht die Unterschiede zwischen den drei vorgestellten Methoden:

Durch die Rundung auf zwei Nachkommastellen, kann es bei der Erstellung des Histogramms mit Excel wie nachher beschrieben, zu einer weiteren Klasse oder zu „unrunden“ Klassenobergrenzen je nachdem, ob Sie die Klassenbreite bereits als gerundete Zahl eintragen oder von Excel berechnen lassen.

Erstellung des Histogramms mit Excel

Jetzt da Sie wissen, wie Sie genau ein Histogramm erstellen, kann ich Ihnen verraten, dass Excel über eine entsprechende Analysefunktion verfügt. Ein entsprechendes Video finden Sie hier.

Das Histogramm ist fertig – was mache Sie jetzt damit?

Begutachten wir nun die drei Histogramme im Vergleich. Alle basieren auf derselben Stichprobe und unterscheiden sich nur durch die Anzahl und Breite der Klassen. Dennoch scheint keines der Diagramme auch nur entfernt verwandt mit einem anderen.

Histogramm_Vergleich
Klicken Sie auf die Grafik um sie zu vergrößern

Was man sofort sehen kann: Die Daten sind nicht normalverteilt. Und nur wenige der Messwerte liegen innerhalb des Sollwert-Bereichs. Ein normalverteilter Prozess würde eine annähernde Spitze in der Mitte und abflachende Balken zu den Seiten erkennen lassen.

Dadurch, dass je nach Anzahl der Klassen völlig unterschiedliche Diagramme entstehen, ist es besonders wichtig, die Klassenanzahl mit Bedacht zu wählen.

Doch was machen wir jetzt mit den Daten? Wir sollten nun versuchen zu ergründen, was die Ursachen für die wild verstreuten Daten sind. Wenn Sie selbst ein Histogramm über einen bekannten Prozess erstellen, haben Sie vielleicht schon bei der groben Draufsicht Ansatzpunkte. Ist das nicht der Fall, dann müssen Sie die Daten weiter zerpflücken.

Mögliche Einflussfaktoren identifizieren

Versuchen Sie, mögliche Einflussfaktoren zu identifizieren und isoliert zu betrachten. Wenn wir ein Brainstorming für unsere Beispielwerte durchführen, dann könnten das sein:

  • Wochentag: Aus irgendwelchen Gründen könnten bestimmte Wochentage auffällig sein
  • Uhrzeit bzw. Schicht: Bei Produktion im Schichtbetrieb könnten nachts möglicherweise mehr Fehler auftreten als tagsüber
  • Anlage: Die Anlagen sind möglicherweise nicht baugleich oder es herrscht ein Defekt vor
  • Artikel: Möglicherweise ist ein Artikel im Portfolio besonders heikel in der Herstellung oder verwendete Materialkomponenten haben einen Mangel

Filtern Sie nun die Datentabelle nach den einzelnen Faktoren und erstellen Sie erneut ein Histogramm von diesem Filtrat. Weil nach dem Filtern deutlich weniger Daten zur Analyse vorhanden sind, zeige ich Ihnen entsprechende Histogramme mit der Klassenzahl basierend auf die Standardabweichung der Gesamtstichprobe.

Hier ein paar Beispiele:

Vergleich_Einflussgrößen
Klicken Sie auf die Grafik um sie zu vergrößern.

Nach dieser Methode können Sie auch die verschiedenen Einflussgrößen beliebig kombinieren und so auswerten um den letztendlichen Einflüssen so weit wie möglich auf die Schliche zu kommen.

Das konstruierte Beispiel folgte keinen Gesetzmäßigkeiten, weshalb die vorliegenden Histogramme auch keinen Aufschluss auf den Prozess erlauben. Wenn Sie diese Methode aber einmal mit einem „echten Prozessparameter“ ausprobieren, werden Sie schnell ein Gefühl dafür bekommen, welch Aussagekraft in Histogrammen steckt.

Ursachen beseitigen

Haben Sie mit Ihren eigenen Histogrammen mögliche Ursachen für eine Prozessschwankung erkannt, dann müssen Sie diese Ursache beseitigen. Diese Beseitigung könnte zum Beispiel ein fester Bestandteil in Ihrem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) sein.

Fazit

Sie sollten Histogramme nicht als ein nutzloses Tool oder einen weiteren lästigen Dokumentationsaufwand betrachten. Aus den Daten können Sie wertvolle Erkenntnisse ziehen! Diese Erkenntnisse stecken tatsächlich schon in Ihrem Prozess und warten nur darauf, entdeckt zu werden.

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