Interview mit Frau Dr. Grit Reimann

Frau Dr. Grit Reimann ist geschäftsführende Gesellschafterin der Reimann Projektmanagement GmbH. Seit 1991 berät sie die unterschiedlichsten Unternehmen wobei ihr größtes Unterscheidungsmerkmal die Spezialisierung auf die Beratung von Unternehmen mit mehr als einem Managementsystem liegt.

Ganz oben auf ihrer Firmenphilosophie steht der Satz „Am Anfang jeder Handlung steht ein Ziel“ und so versteht sich Frau Dr. Reimann als praxisorientierte Beraterin mit hoher Kundenorientierung.

Anlässlich ihres im Februar 2016 veröffentlichten Buches „Erfolgreiches Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001:2015: Lösungen zur praktischen Umsetzung Textbeispiele, Musterformulare, Checklisten“ beantwortet Frau Dr. Reimann Fragen zu Ihrem Unternehmen und Ihren Büchern und gib Qualitätsmanagern wichtige Tipps bei der Einführung von Managementsystemen.

Florian Frankl: Frau Dr. Reimann, ich freue mich, dass Sie sich Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten.

Sie arbeiten bereits seit 1991 als Unternehmensberaterin an und mit Ihrem eigenen Unternehmen. Dabei unterstützen Sie Unternehmen unterschiedlichster Größe in einer Vielzahl an verschiedensten Themengebieten: Qualitäts- und Umweltmanagement, Arbeitssicherheit, Betriebswirtschaft, GMP, Datenschutz, Soziale Verantwortung, Organisationsentwicklung und Energiemanagement. Dabei haben Sie sich auch nicht auf eine bestimmte Branche spezialisiert. Wie schaffen Sie es, diese Themenvielfalt zu bearbeiten?

Dr. Grit Reimann: Angefangen habe ich zunächst mit meinem Team als Beraterin für Optimierung von Geschäfts- und Produktionsprozessen. Erst im Anschluss habe ich eine Ausbildung als QMB und später zur Auditorin für QM-Systeme absolviert und begonnen, in Unternehmen Qualitätsmanagementsysteme einzuführen.

Nach wie vor geschieht dies unter einer sehr betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise. Es folgten die Umweltmanagementsysteme EMAS und ISO 14001 sowie der Arbeits- und Gesundheitsschutz. Bei genauerer Betrachtung fiel uns auf, dass es sehr viele verbindende Forderungen in den Normen und Standards gibt.

Das war der Ursprung dafür, sich mit weiteren Managementsystemen zu beschäftigen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Auch angrenzende Themen wie die Einführung von betrieblichem Datenschutz haben wir stets als ein Managementsystem betrachtet und behandelt.

Was wie ein bunter Kanon aussieht, hat starke Bindeglieder. Wer die Wirkungsweise von Managementsystemen verstanden hat, kann sich leicht auch andere erschließen, z.B. IFS, BRC oder Systemen der Verpackungsindustrie.
Wir sehen uns daher als eine auf Managementsysteme spezialisierte Unternehmensberatung. Effizienz steht nach wie vor bei der betrieblichen Umsetzung, gerade wenn es sich um mehrere Normen handelt, im Vordergrund.

Florian Frankl: Betrachtet man dieses weite Spektrum in Sachen Themen, Branchen und Organisationsgröße, was würden Sie sagen, sind die größten Schwerpunkte, bei denen Ihre Klienten Sie um Unterstützung bitten?

Dr. Grit Reimann: Nach wie vor sind es Unternehmen, die mehrere Managementsysteme gleichzeitig beherrschen wollen. Vornehmlich sind dies Automobilzulieferer und Lebensmittelunternehmen, aber auch konzerngebundene und mittelständische Unternehmen, die sich freiwillig zu bestimmten Werten verpflichten.

Florian Frankl: Sie sind Autorin mehrerer Umsetzungsratgeber für verschiedene Managementsysteme. Was hat Sie veranlasst, zusätzlich zu Ihrer Beratungstätigkeit Ihr Wissen in Buchform auf den Markt zu bringen?

Dr. Grit Reimann: Die Bücher sind viel früher entstanden als die Idee, diese zu veröffentlichen. Sie waren vor allem für meine Kunden geschrieben, die gerade in Wirtschaftskrisen zunächst versuchten, sehr viel im eigenen Haus bei der Einführung und Aufrechterhaltung von Managementsystemen mit eigenem Personal darzustellen.

Ich blieb als Unternehmensberaterin immer im Gespräch, stand für Fragen bereit und erhielt kleinere flankierende Aufträge. So blieb ich auch in Krisenzeiten immer mit meinen Klienten verbunden. Erst viel später starteten wir eine Anfrage beim Beuth-Verlag, der zufällig zur gleichen Zeit mit der Einführung eines QM-Systems beschäftigt war.
So fügte sich eines zum anderen und bis heute blicke ich auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Verlag zurück.

Florian Frankl: Im Februar 2016 erschien Ihr neues Buch „Erfolgreiches Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001:2015: Lösungen zur praktischen Umsetzung Textbeispiele, Musterformulare, Checklisten“. Damit habe ich bei meiner Web-Recherche rund zehn Umsetzungs-Bücher gefunden. Wie erklären Sie sich, dass im Markt offensichtlich eine so große Nachfrage nach dieser Basis-Norm besteht?

Dr. Grit Reimann: Nach wie vor gibt es große und sehr kontroverse Diskussionen über die grundlegende Revisionierung der DIN EN ISO 9001. Meine Klienten haben im Vorfeld des Erscheinens der endgültigen Norm viele Informationsveranstaltungen besucht und kamen teilweise mit völlig unterschiedlichen Aussagen zurück.

Die Unsicherheit in der Tiefe und Breite der Revisionierung mag eine große Triebfeder gewesen sein, sich am Markt nach Handlungsanleitungen und vor allem Praxisbeispielen zu suchen.

Florian Frankl: Das Buch kostet auf Amazon aktuell 128,00€. Worin liegt für die Leserinnen und Leser der Vorteil Ihres Buches als Ergänzung zum bloßen Normentext? Inwieweit erleichtert Ihr Buch konkret die Umsetzung der Anforderungen?

Dr. Grit Reimann: Alle meine Bücher sind so aufgebaut, dass sie zunächst den Normtext wiedergeben, diesen mit der Frage „Was ist zu tun?“ interpretieren, Praxisbeispiele geben und anschließend Mustertexte und Vorlagen bieten. Gerade zu einer Zeit, in der kaum Praxisbeispiele verfügbar waren, stellte dies für mich als Autorin eine besondere Herausforderung dar.

Unternehmen können die verschiedenen Erläuterungen nutzen, um sich Klarheit über die Anwendungstiefe der Norm zu verschaffen, dies auf die eigene Situation umsetzen. Mit den Mustervorlagen fällt es leichter, den eigenen Weg zu finden oder die Texte zu adaptieren. Die in der Datenbank befindlichen Worddateien sind in einfacher Weise für jeden Nutzer anzupassen.

Florian Frankl: Ein Leser meines Blogs hat mir folgende Frage gestellt:

Mich interessiert, welche Bedeutung sie nach Schulungsmaßnahmen in (ihrem) Unternehmen den Kompetenzprüfungen beimessen und welche Methoden sie dazu anwenden. Für mich haben die Abarbeitung von einseitigen Checklisten oder externe Schulungen ohne beobachtbares Verhalten kaum etwas mit der Erfüllung von Anforderungen zu tun.

Selbst in unserem akkreditieren Labor (IS0 15189) befürchte ich, dass ein von mir eingebrachter Vorschlag (BVW) Mentoren zur Planung und Durchführung von qualifizierten Schulungen einzusetzen, eher Widerstände (z.B. MA oder Betriebsräte) wegen „Prüfungen“ hervorruft.

Florian Frankl: Können Sie uns bitte Ihre persönliche Einschätzung dazu geben?

Dr. Grit Reimann: Die Frage zielt auf die Wirksamkeitsbewertung von Schulungen. Sie soll dazu dienen festzustellen, inwieweit die Schulung eine verwertbare Botschaft für den Mitarbeiter hinterläßt und das Erlernte schließlich umgesetzt wird.

Neben der Bewertung der Schulungsqualität geht es um die Verwertbarkeit und Anwendbarkeit des Wissens durch den Teilnehmer. Eine objektive Messung des individuellen Leistungsfortschritts beim Mitarbeiter gestaltet sich aus rechtlicher Sicht in Deutschland zumindest problematisch.

Ich setze daher auf Einschätzungen der Vorgesetzten, inwieweit ein Mitarbeiter das Erlernte in der Praxis umsetzen kann. Das sind zugegebenermaßen subjektive Einschätzungen.

Dennoch sind sie der Indikator dafür, ob der Mitarbeiter ausreichend geschult wurde und in der Lage ist, Wissen in die Praxis zu transferieren. So der Praxistransfer nicht gelingt, ist nach alternativen Schulungskonzepten zu suchen.

Florian Frankl: Seit geraumer Zeit fällt mir auf, dass sich immer mehr Personen, die dem viel zitierten „beruflichen Hamsterrad“ entfliehen möchten, als mehr oder weniger spezialisierte Berater selbstständig machen. Sie sind nunmehr seit über 25 Jahren als Unternehmensberaterin in unterschiedlichsten Bereichen tätig.

Florian Frankl: Was würden Sie sagen, worin liegen die Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweise mit den geschilderten Absichten?

Dr. Grit Reimann: Als Berater muss man nicht nur Kenntnis der Normen mitbringen. Es geht vor allem um die methodische Aufbereitung des Wissens für den Klienten, den Bezug zur Branche und die Adaption auf die Unternehmensgröße.

Viele der sich auf diese Art selbständig machenden Unternehmensberater haben wenig Methodenkompetenz. Außerdem mangelt es ihnen nicht selten an Erfahrung mit anderen Darstellungsformen und Umsetzungsweisen der Managementsysteme, da sie lediglich in einem Unternehmen Erfahrungen sammeln konnten. Das schränkt ihre Sichtweise erheblich ein.

Florian Frankl: Ist der Markt für Unternehmensberater im deutschsprachigen Raum aus Ihrer Sicht gesättigt?

Dr. Grit Reimann: Der Markt an Beratern für Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9001 ist mit Sicherheit gesättigt. Allerdings fehlen Berater für die Integration verschiedenster Managementsysteme, insbesondere mit Kenntnissen der Managementsysteme in der Lebensmittel- und Verpackungsindustrie. Die Leistungen aus einer Hand anzubieten, stellt einen klaren Wettbewerbsvorteil dar.

Florian Frankl: Woran erkenne ich als Führungskraft vor der Beauftragung ein fähiges Beratungsunternehmen?

Dr. Grit Reimann: Die Auswahl eines guten Beratungsunternehmens gestaltet sich häufig schwierig. Selbst Zertifikate mit Abschlüssen verschiedenster Aus- und Fortbildungen sind kein Garant für gute Methodenkompetenz und praxis- und normkonforme Vorgehensweisen.

Persönliche Empfehlungen aufgrund positiver Erfahrungen von anderen Unternehmen sind immer noch die verlässlichsten Wegweiser zu einer kompetenten Unternehmensberatung.

Florian Frankl: In meiner bisherigen Laufbahn habe ich einige Qualitätsmanager getroffen, die regelrecht getrieben waren von Anforderungen: Kunden, Auditoren, Normen, die Abteilungsleiter-kollegen und die Geschäftsleitung. Nur wenige strahlen eine echte Leidenschaft für Qualitätsmanagement und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten aus. Woran könnte das Ihrer Ansicht nach liegen?

Dr. Grit Reimann: Nicht selten werden Managementsysteme als etwas empfunden, was neben dem Tagesgeschehen stattfindet und vom QMB gelenkt wird. Die Geschäftsleitung steht nicht hinter dem System. Das führt dazu, dass QMB nicht selten nur formale Aspekte der Norm umsetzen können und wollen.

Ein System neben dem eigentlichen System war nie der Gedanke eines Managementsystems. Bis heute ist dies einer der größten Fehler von Unternehmensleitungen.

Florian Frankl: Zum Abschluss bitte ich Sie um drei Tipps, die Personen, die momentan ein Managementsystem einführen, unbedingt beachten sollten.

Dr. Grit Reimann: Ein Managementsystem ist immer nur so erfolgreich, wie auch der Wille der Geschäftsleitung sich hierzu gestaltet. Die Geschäftsleitung muss stärker involviert sein bis dazu, dass sie auch Normkenntnisse besitzen soll.

Verbinden Sie Qualitätsmanagement immer mit Ihrem Tagesgeschäft. Betten Sie QM darin ein.

Risikobetrachtungen von Prozessen führen zu einer Gewichtung der einzelnen Unternehmensprozesse. Fokussieren Sie sich auf jene, deren Risiko einer stärkeren Überwachung bedarf.

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