Wie Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) die Qualität verbessern können

Die Qualitätssicherungsvereinbarung - Mehrwert oder Mehrarbeit?

Menschen streben allgemein nach Sicherheit – nicht nur im Qualitätsmanagement. Da Geschäftsbeziehungen immer Beziehungen zwischen Menschen sind, wünschen wir uns auch im beruflichen Umfeld möglichst große Sicherheit. Zusätzlich dazu können hohe Risiken auch hohe finanzielle Risiken mit sich bringen.

In der Lebensmittelindustrie sind Qualitätssicherungsvereinbarungen noch nicht so geläufig, wie beispielsweise im Automotive-Bereich oder im Maschinenbau. Wie Du solche Vereinbarungen nutzen kannst, um die Rohwarenqualität zu verbessern, möchte ich in diesem Artikel genau beschreiben.

Was ist eine Qualitätssicherungsvereinbarung?

Bei der Recherche zu diesem Artikel bin ich auf einen Beitrag von Herrn Dr. Jürgen Fleig gestoßen, der in seinem Artikel „Mit dem Lieferanten Qualitätsstandards festlegen“ vom 26.06.2014 eine gute Definition für den Begriff „QSV“ abgibt:

„Die Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV) ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem Abnehmer und seinem Lieferanten. In der QSV ist detailliert festgehalten, was der Lieferant zur Qualitätssicherung leisten muss und an welche Vorgaben er sich zu halten hat. Diese Regelungen werden meist vom Einkauf des Abnehmers vorgegeben. Sie sind vergleichbar mit Einkaufsbedingungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Durch die QSV soll die überbetriebliche Arbeitsteilung verbessert werden. Lieferprozesse werden vereinfacht und beschleunigt, und mehrfache Qualitätsprüfungen werden vermieden. Die Aufgaben zur Qualitätssicherung werden an den Partner in einer Liefer-Abnehmer-Kette übertragen, der diese am effizientesten übernehmen kann.“

Darüber hinaus können die getroffenen Vereinbarungen auch im Sinne von Produkthaftung oder Schadenersatz von Bedeutung sein. Dazu aber später mehr. Außerdem sind sie als Basis zur kontinuierlichen Verbesserung der Produkte und Lieferanten nutzbar.

Die zwei Seiten er QSV-Medaille

Die Definition von Herrn Dr. Fleig zeigt es schon an: Es geht um Arbeitsteilung. Grundsätzlich haben die meisten Texte zum Thema QSV eine zu starke Betonung auf die Pflichten des Lieferanten. Entsprechend ist die Wahrnehmung auf deren Seite deutlich negativer als deren Wahrnehmung der positiven Aspekte.

Konkret scheuen Lieferanten vor allem den großen Aufwand, den eine QSV mit sich bringen kann. Durch dieses starke Übergewicht der Pflichten für den Lieferanten spielt natürlich auch die Angst vor Konsequenzen bei der Verletzung dieser Pflichten eine wichtige Rolle.

Oft werden aus meiner Sicht die oben zitierten Ziele einer solchen Vereinbarung vergessen: Sicherung der Qualität, Vermeidung von Mehrfachprüfungen und Effizienzsteigerung der Lieferkette.

Dahingegen fühlen sich Abnehmer durch Qualitätssicherungsvereinbarungen sprichwörtlich „auf der sicheren Seite“. Oft werden QSVs mit Gürteln und Hosenträgern für den Abnehmer erstellt, und der Lieferant kann sich regelrecht in die Ecke gedrängt fühlen.

Zumindest ist das der Fall, wenn der Abnehmer die deutlich günstigere Machtstellung besitzt. Gleiche Bedingungen können gegeben sein, wenn beispielsweise große Zuckerlieferanten ein vergleichsweise kleines Unternehmen beliefern – sie sind nicht auf diesen Kunden angewiesen und können Dokumente wie Spezifikation und/oder QSV nach ihren Wünschen nahezu beliebig gestalten.

Deshalb können auch Lieferanten von einer QSV profitieren

Solltest Du in der Situation sein, als Lieferant eine QSV mit dem Abnehmer „vereinbaren zu müssen“, so kannst Du Dich über folgende Vorteile einer solchen Vereinbarung freuen (wenn Du richtig verhandelst):

Was kostet die Qualität? Argument für Preisverhandlungen

Dadurch, dass transparent gemacht wird, welche Anstrengungen Du unternehmen musst, um den Anforderungen Deines Kunden zu genügen, kannst DU auch genau zeigen, wie viel die Qualität oder die höhere Sicherheit des Produkts tatsächlich kostet.

Diese Information kann Dir bei Preisverhandlungen von Nutzen sein. Wie in der Einleitung des Artikels erwähnt, streben wir alle nach einer gewissen Sicherheit. Sicherheit ist deshalb auch für Kunden ein Mehrwert, für den diese eher bereit sind zu bezahlen, wenn genau sichtbar gemacht wird, welche finanziellen Auswirkungen auf den Lieferanten zukommen.

Ein Kunde wird dann auch eher konstruktiv dabei helfen, die QSV nicht unnötig aufzublähen, sondern nur solche Parameter zu vereinbaren, die wirklich für die Qualität der Erzeugnisse von Bedeutung sind.

Du schaffst ein positives Image für die Qualität Eurer Produkte

Wenn Du QSVs vereinbart hast und diese konsequent erfüllt werden, dann wird man von außen automatisch auch auf die Qualität Eurer anderen Produkte schließen. Das ist Grunde genauso, wenn wir als Verbraucher Produkte kaufen: Wenn wir mit Produkt A von einem bestimmten Anbieter zufrieden waren, greifen wir mit höherer Wahrscheinlichkeit auch bei Produkt B desselben Anbieters zu, auch wenn wir mit Produkt B noch keine Erfahrung haben.

Du baust ein Vertrauensverhältnis zum Abnehmer auf

Je länger und diversifizierter die positiven Erfahrungen mit Eurem Unternehmen und Euren Produkten sind, umso größer ist das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit. Und dieses Vertrauen kann sich zum Beispiel durch zukünftige Aufträge, längere Vertragslaufzeiten oder exklusive Zusammenarbeit bezahlt machen.

Was haben Abnehmer von einer QSV?

Die Vorteile einer Qualitätssicherungsvereinbarung für die Abnehmer sind deutlicher zu sehen: In erster Linie erhalten sie sicherere Produkte, die ihnen nicht nur auf dem Papier zugesagt werden, sondern diese Sicherheit wird durch entsprechend vereinbarte Maßnahmen aktiv vom Lieferanten gewährleistet und per Zeugnis bescheinigt.

Der Abnehmer weiß, welche Kriterien der Lieferant in welcher Ausprägung zu prüfen hat und muss dies dann nicht mehr selbst tun. Das verkürzt die Durchlaufzeit der Rohwaren und beschleunigt so den Herstellprozess.

Ein Beispiel das diese Beschleunigung verdeutlicht: Handelt es sich bei den eingekauften Waren um Lebensmittel, kann der Abnehmer beispielsweise die mikrobiologische Qualität selbst prüfen. Da Schnellmethoden jedoch noch nicht für alle Keimarten erschwinglich sind, vergeht mitunter viel Zeit bevor ein Ergebnis zur Verfügung steht.

Wird dieses Ergebnis benötigt, um die Rohware zur Produktion freizugeben, verliert sie bis zum Ende der Untersuchung mehrere Tage Haltbarkeit. Es könnte allerdings auch sein, dass die Rohware zwar analysiert wird aber noch vor dem Vorliegen des Ergebnisses der Herstellung zugeführt wird – in diesem Fall muss bei einer Abweichung möglicherweise auch das hergestellte Fertigprodukt verworfen werden.

Wird die Rohware aber schon vom Lieferanten oder einem durch ihn beauftragten akkreditierten Labor ausreichend überprüft, besteht seitens des Abnehmers keine Notwendigkeit mehr, eigene Analysen durchzuführen und das angelieferte Produkt kann sofort nach Prüfung der entsprechenden Lieferzertifikate verwendet werden.

Welche Inhalte sollten in einer QSV enthalten sein?

Die nachfolgende Liste enthält einige wichtige Merkmale für Qualitätssicherungsvereinbarungen. Da die Anforderungen an die unterschiedlichsten Produkte jedoch unglaublich vielzählig sein können, erhebt diese Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient zur Veranschaulichung.

QSV

Die QSV hat rechtliche Relevanz!

Wie bereits mehrfach erwähnt, sind Lieferanten mit den möglichen Konsequenzen einer QSV nicht immer glücklich. Es könnte der Eindruck entstehen, dass mittels QSV der Kunde jegliche Prüfverantwortung ohne Gegenleistung an den Lieferanten abwälzen will.

Jedoch muss der Kunde selbst auch Prüfungen durchführen, auch wenn ein überwiegender Teil der fachlichen Prüfung tatsächlich durch den Lieferanten erfolgt. Der § 377 des BGB beschreibt die Rügepflicht durch den Abnehmer. Zu diesem Thema gibt es im Blog bereits einen Artikel.

Offensichtliche Mängelb die beim Wareneingang bereits festgestellt werden, müssen unverzüglich gemeldet werden – auch wenn entsprechende Kriterien mittels QSV an den Lieferanten weitergegeben wurden. Andernfalls kann Gewährleistungsanspruch verfallen.

Wenn vereinbart wird, dass der Lieferant Qualitätsnachweise an den Kunden übermittelt, dann muss dieser diese Nachweise auf Vollständigkeit und formelle Richtigkeit prüfen – bevor das Material eingesetzt wird. Zeigen sich nach der Verwendung Fehler, kann der Anspruch des Kunden erlöschen.

Rechtlich gesehen sind QSVs mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) gleichzusetzen und werden bei Rechtsstreitigkeiten allgemein auch so behandelt. Aufgrund der rechtlichen Relevanz dieses Dokuments rate ich beiden Parteien dringend, solche Vereinbarungen vom eigenen Rechtsbeistand vor Unterzeichnung prüfen zu lassen (wobei ich kein Anwalt bin und dies keine Rechtsberarung darstellt).

Fazit – Qualitätssicherungsvereinbarung als wertvolles Werkzeug

Anders als gemeinhin angenommen, können Qualitätssicherungsvereinbarungen beiden Seiten von großem Nutzen sein. Es kommt dabei auf die Ausgestaltung dieser Vereinbarungen an und letztendlich auch darauf, dass sie wirklich vereinbart und nicht nur stumpf vorgegeben werden.

Wenn die partnerschaftliche Zusammenarbeit und das Wohl für Produkt und den Endkunden im Vordergrund stehen, ist schon einiges für die Erreichung dieser Zielsetzungen getan.

Beitragsbild: Unsplash / pixabay.com

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